Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
offensichtlich am nächsten Tag erfüllen wird.
«Woher weißt du das?», frage ich sie.
«Weil ich ihm für morgen ein Treffen vorgeschlagen habe», antwortet sie, «in der E-Mail.»
«Woher weißt du, dass er die E-Mail überhaupt bekommen hat?»
«Er hat geantwortet und geschrieben, dass er da sein wird. Und weil es nun mal so passieren wird. Er kommt, weil ich ihn dort sehe.»
Das ist ein Zirkelschluss, aber ich lasse es ihr durchgehen. «Du willst also einfach zu ihm sagen: ‹Der Siebte ist einer von uns.›» Der Gedanke macht mir Angst. Große Angst. Ich habe mir das Ganze wieder und wieder durch den Kopf gehen lassen, und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es gut ausgehen wird. Denn nicht nur Phens Flügel sind grau, sondern auch seine Seele – sein ganzes Wesen. Aber wenn es um ihn geht, ist Angela einfach nicht zurechnungsfähig. Meiner Meinung nach kann nichts Gutes dabei herauskommen.
Ein paar Sekunden lang beißt sich Angela auf die Lippen, das erste Zeichen wirklicher Nervosität, das ich an ihr sehe, seit sie das mit dem Siebten begriffen hat. «So was in der Art», sagt sie.
Ich glaube ihr, wenn sie sagt, dass es in ihrer Vision so ist. Dann ist es also vorherbestimmt, dass es so passiert, oder?
Ich weiß es nicht. Ich habe nie verstanden, wieso Jeffrey die Vision hatte, einen Waldbrand zu legen und dann jemanden aus ebendiesem brennenden Wald zu retten. Oder wieso ich an diesem Tag Christian in dem Wald treffen sollte. Oder warum ich meine Anwesenheit auf der Beerdigung meiner Mutter vorhergesehen habe.
Es steht uns nicht zu, nach dem Warum zu fragen, nehme ich an. Es ist nur an uns, es zu erfüllen oder … na ja, zu versagen.
«Und dann was?», frage ich. «Du erzählst es ihm, und dann?»
«Er und ich, wir werden uns darum kümmern», sacht legt sie die Hand auf ihren Bauch, «gemeinsam.»
Ich denke darüber nach. Glaubt sie vielleicht, sie sagt es ihm, und dann werden sie – die neunzehnjährige College-Studentin, der mehrere tausend Jahre alte ambivalente Engel mit der grauen Seele und das strampelnde, fröhliche Triplar-Baby – eine glückliche Familie sein? Ich schätze, es sind schon seltsamere Sachen passiert, aber trotzdem …
Sie liest den Zweifel in meinem Gesicht.
«Guck mal, C., ich erwarte doch jetzt kein Happy End wie im Märchen. Aber das ist nun mal meine Aufgabe, verstehst du nicht? Zu diesem Zweck bin ich auf der Welt. Ich muss es ihm sagen. Er ist …» Sie atmet tief ein, als ob das, was sie gleich sagen wird, all ihren Mut erfordere. «Er ist der Vater meines Kindes. Er hat das Recht, es zu erfahren.»
Dieses Aufleuchten von Gewissheit in ihren Augen kenne ich nur allzu gut. Ihr Vertrauen in die Vision und in das, was sie in der Vision fühlt, ihr Vertrauen in die Art, wie die Dinge funktionieren. So habe ich mich auch einmal gefühlt, und das ist noch gar nicht so lange her.
«Sollte dies eine Art Test sein, mein Augenblick der spirituellen Entscheidung», sagt sie, «dann entscheide ich mich dafür, ihm die Wahrheit zu sagen.»
«Morgen dann also. Der große Tag», sage ich und begreife irgendwie. Ich verstehe.
Sie lächelt. «Der verdammt große Tag. Kommst du mit mir, C.?»
«Um Phen zu treffen? Ich weiß nicht, Ange. Ist das nicht eine Sache nur zwischen dir und ihm?» Bei meinem letzten Zusammentreffen mit Phen habe ich mehr oder weniger von ihm verlangt, dass er Angela in Ruhe lassen soll, habe ihm gesagt, dass sie etwas Besseres verdient als das, was er ihr je bieten könne. Und er beschimpfte mich als Heuchlerin und nannte mich ein Kind. Phen und ich, wir sind nicht gerade die besten Freunde.
Angela lehnt sich gegen den Wäschetrockner. «Du kommst mit», erklärt sie nüchtern. «Du bist immer mit dabei, in meiner Vision.»
Das hatte ich beinah vergessen. Oder vielleicht dachte ich, sie hätte es erfunden, um mich dazu zu bewegen, mit ihr nach Stanford zu gehen. «Na schön. Und wo genau befinde ich mich in dieser Vision?»
«Etwa zwei Schritte hinter mir, meistens. Als moralische Unterstützung, denke ich.» Sie klimpert mit den Wimpern, macht eine Grimasse und sieht mich an.
Auf einmal habe ich das Gefühl, dass dies auch ein Test für mich ist. Für mich als Engelblut, das an die Visionen glauben soll. Für mich als ihre Freundin.
«Na gut, na gut. Ich werde da sein, zwei Schritte hinter dir», verspreche ich.
«Ich hatte schon so ein Gefühl, dass du ja sagen würdest», meint sie fröhlich.
«Ist klar. Aber jetzt
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