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Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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den üblichen dicken Eyeliner aufgetragen und dunklen Lippenstift, sondern schlichte Wimperntusche und rosafarbenen Lippgloss. Es ist warm für Februar, und Angelas Wangen sind rosig. Sie schwitzt unter den Lagen von Kleidung, aber sie geht schwungvoll, was überraschend ist in ihrem Zustand. Sie wirkt gesund und lebendig und sieht wunderschön aus.
    «Darauf habe ich nie geachtet», keucht sie beim Gehen. «In den Visionen habe ich nie daran gedacht, wie ich mich fühle – körperlich, meine ich. Ich fasse es nicht, dass ich das nie bemerkt habe.» Sie deutet auf ihren sich vorwölbenden Bauch. «Auch nicht, dass sich mein Schwerpunkt nach unten verlagert hat. Oder wie oft ich Pipi machen muss.»
    «Sollen wir eine Pause machen?», frage ich. «Eine Toilette suchen?»
    Sie schüttelt den Kopf. «Ich darf nicht zu spät kommen.»
    Je näher wir den Stufen in ihrer Vision kommen, desto leichter fühlt sie sich, bricht beinahe in himmlischen Glanz aus, so aufgeregt ist sie, ihre Haut schimmert nun definitiv, ihre Augen leuchten vor Entschlossenheit.
    «Da ist er», flüstert sie plötzlich und umklammert meine Hand.
    Da ist er. Mit dem Rücken zu uns steht er im Innenhof, er trägt einen grauen Anzug, genau wie sie ihn beschrieben hat. Welcher Mann trägt einen Anzug, wenn er sich mit seiner Ex-Freundin trifft, frage ich mich. Er betrachtet die Statuen von den Bürgern von Calais, deren gebeugte Köpfe mit dem traurigen Gesichtsausdruck heute mehr denn je mit dem hellen, sonnigen Tag kontrastieren, den überall auf dem Innenhof blühenden Blumen, dem Sonnenschein, den zwitschernden Vögeln.
    Vögel. Nervös schaue ich mich um. An Vögel hatte ich gar nicht gedacht.
    Angela gibt mir ihre Tasche. «Also, auf geht’s», sagt sie.
    «Ich bin direkt hinter dir», verspreche ich und folge ihr zum Fuß der Treppe.
    Sie geht langsam auf Phen zu. Der Schlitz in ihrem Pullover enthüllt ihren vorgewölbten Bauch, der gegen ihr Umstandshängerchen stößt, als hätte sie einen Basketball verschluckt, auch wenn sie im Grunde gar nicht so dick ist. Ich sehe, wie sie auf der letzten Stufe schnell noch einmal Luft holt, und ich weiß nicht, ob es ihre plötzliche Nervosität ist oder meine eigene, die ich jetzt spüre.
    Angela berührt ihn an der Schulter, und er dreht sich um.
    Es ist definitiv Phen. In dem Punkt hatte sie schon mal recht.
    «Hallo», sagt sie atemlos.
    «Hallo, Angela», erwidert er, ganz der lächelnde Charmeur. «Schön, dich zu sehen.» Er beugt sich vor und küsst sie auf den Mund. Ich gebe mir Mühe, bloß nicht an das Geschöpf mit der grauen Seele zu denken, das sich in seinem attraktiven Körper verbirgt.
    «Wie geht es dir?», fragt sie, als ob es hier und heute um ihn ginge.
    «Besser, jetzt, da ich dich sehe», sagt er.
    Igitt, gleich muss ich mich übergeben.
    «Du bist wie eine Vision», sagt er. «Ich könnte dich malen.»
    Jetzt kommt es. Ganz kurz ballt sie die Hände zu Fäusten, dann entspannt sie sich wieder. «Mir geht es auch besser, jetzt, da ich dich sehe», sagt sie und zieht sich von ihm zurück, schaut nach unten, hebt den Pullover an und reibt mit der Hand über ihren Bauch. Sein Lächeln verblasst, als sein Blick über ihren Körper gleitet. Ich schwöre, ich kann von meiner Position aus sehen, wie die Farbe aus seinem Gesicht weicht. Ich horche angestrengt, weil ich die beiden verstehen will.
    «Angela», keucht er. «Was ist mit dir passiert?»
    «Du bist mir passiert», antwortet sie mit verschmitztem Unterton in der Stimme, wird dann aber wieder ernst. «Es ist deins, Phen.»
    «Meins», sagt er atemlos. «Unmöglich.»
    «Unseres», sagt sie, und ich kann ihr Gesicht nicht sehen, aber ich glaube, dass sie lächelt, dieses heitere, hoffnungsvolle Lächeln, das so gar nicht typisch für Angela ist – so offen, so verletzlich. Wieder legt sie ihm die Hand auf die Schulter, lässt sie diesmal liegen, schaut in seine entsetzten dunklen Augen und sagt laut und deutlich: «Der Siebte ist einer von uns.»
    Ein eisiger Schauer durchfährt mich. Aus den Augenwinkeln heraus glaube ich, das Flattern schwarzer Flügel zu erahnen, aber als ich genau hinschaue, sehe ich nichts. Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Phen. Er streckt die Hand aus, berührt Angelas Bauch, immer noch liegt Ungläubigkeit in seinem Blick, und einen ganz kurzen Moment lang denke ich, es wird doch noch alles gut, so wie Angela es gesagt hat. Er wird sich um sie kümmern. Er wird sie beide, Angela und das Baby,

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