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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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Achsel. So hatten sie viele Male dagesessen und den Fluss betrachtet, das Grasland, den Urwaldregen, doch diesmal war ihr Bedürfnis, einander nahe zu sein und die Haut des anderen zu spüren, von einer ungewohnten Intensität. Eva hielt die Nase an seine Brust. Sie sog seinen Geruch ein. Und er griff ihr mit beiden Händen ins Haar und roch daran.
    »Sonderbar«, sagte sie. »Irgendwie wäre ich gerne wieder in deinem Körper, ich wäre gern wieder die Rippe, aus der ich nach deiner Schilderung geworden bin. Am liebsten wäre mir, die Haut, die uns trennt, würde verschwinden.«
    Er lächelte und drückte sie fester an sich. Genau das gleiche Bedürfnis habe er auch, sagte er und berührte ihre Schulter mit den Lippen. Er habe Lust, in sie hineinzubeißen wie in die verbotene Frucht. Eva lächelte. Sie griff nach Adams Hand und nahm jeden seiner Finger einzeln in den Mund, lutschte und saugte daran. Seine salzige Haut hatte noch den köstlichen Beigeschmack der verbotenen Feige.
    Während sie ihn auf diese Weise studierte, betrachtete er sie fasziniert, und seine Finger erkundeten die feuchte Wärme ihres Mundes, der sich anfühlte wie die Weichtiere im Wasser. War vielleicht ein Meer in Evas Innerem? Und auch in ihm? Was konnte sonst diese Flut sein? Denn mit einem Mal spürte er einen Strom im Unterleib anschwellen, durch die Beine aufsteigen und in der Brust zerschellen, so dass er stöhnte. Er entzog seine Hand diesem schier unerträglichen Reiz und legte den Kopf auf Evas Schulter. Sie blickte auf, seufzte und reckte den Hals. Er sah ihre geschlossenen Augen und streichelte ihr vorsichtig mit den Händen über die Brüste und war verzaubert von der Glätte, der Farbe und der Berührung der kleinen rosa Aureolen, die sich plötzlich unter seinen Händen versteiften. Auch die Haut seines Gliedes hatte unversehens ihre gewohnte Entspanntheit verloren, und nun erhob es sich wie ein überdimensionierter Finger und zeigte unmissverständlich auf Evas Leib. Ihr Körper war gespannt wie ein Bogen, als sie ihrem Verlangen nachgab, Adam von oben bis unten abzulecken. Und mit einem Mal waren sie eine Kugel und rollten über den Boden der Grotte, Arme und Beine und Hände und Münder, die sich stöhnend und lachend suchten, so erforschten sie einander fingernd und tastend, lernten sich kennen und stellten ohne Hast und voller Staunen fest, dass ihre Körper unvermutet verborgene Feuchtigkeiten und nie gekannte Festigkeit entfalteten und ihre Münder zueinander hingezogen wurden, bis sie mit verschlungenen Zungen dalagen, als wären es geheime Gänge, wo das Meer des einen an den Strand der anderen brandet. Doch sosehr sie sich auch berührten, ihr Verlangen nach Berührung war nicht zu stillen.
    Als sie zwei schwitzenden, unersättlichen Feuern glichen, überkam Adam der unbezwingbare Impuls, Eva den vertikalen Trieb, der sich nunmehr aus seiner Mitte aufbäumte, in den Leib zu pflanzen, während die endlich mit Wissen begabte Eva erkannte, dass sie ihm den Weg in ihr Inneres freigeben musste, weil dies der Ort war, wo jenes überraschend zwischen Adams Beinen gewachsene Glied hinstrebte. Einer im anderen wurde ihnen endlich das überwältigende Erlebnis zuteil, wieder in einen einzigen Körper zurückgekehrt zu sein. Und sie wussten, solange sie so vereint wären, gäbe es für sie keine Einsamkeit mehr. Sie wussten, sollten ihnen einmal die Worte ausgehen, sollte einmal in ihren Gedanken das Schweigen überhandnehmen, dann könnten sie so beieinander liegen und miteinander sprechen, auch ohne etwas zu sagen. Dies war zweifellos das Wissen, das ihnen die Schlange nach dem Verzehr der Baumfrucht angekündigt hatte.
    Sie gaben sich dem Auf und Nieder ihrer Bewegungen hin, einer dem anderen entgegen, und kehrten so zum Nichts zurück, bis ihre Körper endlich überbordend miteinander verschmolzen, hier, am Ausgangspunkt der Welt und der Geschichte.

Kapitel 6
    A dam schlief zum zweiten Mal in seinem Leben. Im Traum sah er eine riesige Kugel mit unzähligen Stacheln. Die Stacheln waren Bäume, aufrecht gewachsen ragten sie in alle Richtungen. Jeder bekam eine Taille, einen Torso und den Kopf eines Mannes oder einer Frau. All diese Wesen, halb Baum, halb Mensch, hielten an ihren emporgereckten Händen weitere Männer und Frauen, es waren die Kronen eines riesigen menschlichen Waldes. Einer nach dem anderen wurden die Bäume gefällt, sie krachten um und zerbrachen unter einem anhaltenden wehen Stöhnen. Adam flog über sie

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