Unendlichkeit in ihrer Hand
konnte.
»Der Andere hat keineswegs gescherzt, als er sagte, dass wir Staub sind und wieder zu Staub werden. Unsere Körper hier, was glaubst du, wie lange die wohl halten?«, fragte Adam die Frau.
»Keine Ahnung. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass meiner mehr schmerzt als deiner.«
Aus dem bleiernen Himmel fiel Wasser. Dicke Wassertropfen hämmerten ihnen auf den Rücken.
Sie rannten, so schnell sie konnten, zur Höhle zurück. Der Regen prasselte sturzflutartig vom Himmel. Plötzlich zuckte ein Baum mit grell leuchtenden Ästen am Firmament auf. Den flackernden Lichtzweigen antwortete die Erde mit einem dumpfen Widerhall.
In der Finsternis sahen sie die Augen der Katze funkeln. Der Hund schnüffelte am Boden. Sie zogen sich alle vier auf den Felsvorsprung zurück, der ihnen als Nachtlager diente. Eng aneinandergeschmiegt ließen Adam und Eva gebannt und voller Angst den Ausbruch über sich ergehen, die Donnerschläge und die Blitze.
»Ob wohl der Himmel einstürzt? Ob die Sterne jetzt herunterfallen?«, fragte Eva.
»Ich glaube nicht«, erwiderte Adam. »Sie sind sehr weit weg.«
»Woher weißt du das?«
»Ich bin nicht sicher.«
Als Eva erwachte, blutete sie zwischen den Beinen. Sie erschrak, als sie aufstand und die rote Flüssigkeit aus ihrem Geschlecht fließen sah. Die neblige Höhle erstrahlte im frühen Morgenlicht. Sogar die Wolken, so dachte sie, hatten vor dem zornigen Anfall des Himmels Reißaus genommen. Der Schmerz in ihrem Unterleib fühlte sich an wie eine sich öffnende und wieder schließende Faust. Die rote Flüssigkeit war warm und klebrig. Der Hund näherte sich und schnupperte daran. Sie schob ihn ungehalten beiseite.
Dann ging sie zur Quelle im Innern der Höhle und wusch sich, aber das Blut strömte weiter. Sie weckte Adam. Er erbot sich, Blätter zu holen, um sie abzuwischen, und forderte sie auf, sich wieder hinzulegen. Sie waren beide bange, verbargen es aber voreinander. Kurz darauf kehrte der Mann zurück. Er hatte beide Hände voller Feigen und Feigenblätter und strahlte über das ganze Gesicht.
Der Regen hatte zwei Feigenbäume aus den Früchten keimen lassen, die er vor dem Höhleneingang vergraben hatte. Nun hingen die Bäume voll reifer Feigen.
»Schau nur, Eva, schau. Du hattest recht. sie sind für uns. Wir können sie essen.«
Aus den Blättern formte Adam mit Quellwasser einen Verband für Evas Wunde.
»Glaubst du, dass ich jetzt sterben muss, Adam? Es fühlt sich eigentlich nicht danach an. Es schmerzt nur ab und zu da drinnen.«
»Bleib lieber ruhig liegen. Iss eine Feige.«
Adam ging mit dem Hund hinaus. Wie sie so in der dämmrigen Höhle lag, öffnete Eva eine Feige und betrachtete ihr rosafarbenes, süßes Inneres, das Fleisch und die roten Kerne in der Mitte. Mein Körper ist anders als der des Mannes, dachte sie, denn die Flüssigkeit, die aus ihm austritt, wenn er auf mir liegt und schreit, ist weiß. Meine ist rot und kommt zum Vorschein, wenn ich traurig bin. Sie zog die Knie an die Brust. Sie konnte seine Anschuldigungen für die erlittenen Qualen nicht vergessen. Sie verletzten sie ebenso wie die Steine unter ihren Füßen, als sie den Berg hinaufgestiegen waren, um sich in den Tod zu stürzen, vor dem Elohim sie errettet hatte. Sie war davon überzeugt, dass er sie aus ein und demselben Grund gerettet wie auch angestiftet hatte, vom Baum der Erkenntnis zu essen: Er wollte zusehen, wie sie zu selbständigen Wesen wurden. Sie hatte ihm diese Chance eröffnet, aber Adam wollte das nicht verstehen. Es war ja auch viel einfacher, ihr die Schuld zu geben als dem Anderen, der sich nie blicken ließ.
Nachdem die Sonne untergegangen war, bestaunten sie die Helligkeit jener Nacht. Vom Innern der Höhle aus sahen sie deutlich die Umrisse des Feigenbaumes vor dem aschfahlen Licht. Es kam ihnen vor, als wäre die Dunkelheit voller Wasser, deshalb gingen sie hinaus, um nachzuschauen. Nach dem Regenschauer war das nächtliche Himmelsgewölbe durchsichtig vom einen Ende zum anderen. Es erinnerte sie an die Meeresoberfläche, und über ihnen hing schwerelos ein bleicher, runder Stern und lächelte.
»Die erloschene Sonne ist wunderschön«, sagte Adam.
»Das ist nicht die Sonne. Es ist der Mond. Deshalb blute ich.«
»Woher weißt du das?«
»Das weiß ich einfach«, sagte Eva. »Ich weiß, dass in mir ein Meer ist, der Mond füllt es und entleert es.«
Adam stellte ihr keine weiteren Fragen. Seine Freude über das Wunder von Evas
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