Unendlichkeit in ihrer Hand
da setzte Kain schon dem nächsten Hasen nach. Adam lief hinter dem Hund her, um die Schnelligkeit seiner Beine zu erproben. Er riss ihm das Tier aus den Fängen. Der Kopf des Hasen hing schon schlapp am Rumpf.
Diesmal war es der Mann, der sich verbarg. Er setzte sich unter einen Baum. Dann schloss er die Augen und vergrub die Zähne im Fell des Kaninchens. Er schmeckte das Blut, das Fleisch unter dem Fell. Mit Händen und Klauen zog er dem Tier die Haut ab und riss ihm ein Bein aus. Er aß das blutige, noch warme, nach Moschus riechende Fleisch.
Er vernahm ein sehr leises Gelächter. Ein spöttisches Gelächter.
»Sieh einer an, was aus dir geworden ist. Da muss er töten, um satt zu werden!«
Erst hielt er es für seine innere Stimme, doch dann erkannte er den heiseren Klang wie Geröll an einem Hang. Er sah die Schlange.
»Du bist es! Habe ich’s mir doch gedacht. Was isst du denn?«
»Ich habe Mäuse gefressen und Rotwild. So ein Hase ist auch nicht übel. Aber schau an, du, der du dich für so etwas Besonderes gehalten hast, sitzt jetzt da und frisst wie jedes andere Tier auch.«
»Werden wir so in dieser Welt überleben, indem wir uns gegenseitig auffressen?«
»Das Leben, das sich vom Tod nährt, tja! Wenn Elohim von Zorn gepackt wird, dann erschafft er so was: Er verdammt einen Teil der Natur, so zu leben wie der andere. Aber du siehst ja. Mir hat er befohlen, Erde zu fressen, und dir, dich von Kräutern und Dornen zu ernähren, um sich’s dann anders zu überlegen. Jetzt lässt er zu, dass wir uns gegenseitig auffressen.«
»Du kennst ihn wohl ziemlich gut.«
»Wir sind schon lange zusammen. Solange es ihn gibt, wird es auch mich geben.«
»Dich gibt es, um ihm Kontra zu geben.«
»Ohne mich wäre die Ewigkeit für ihn unerträglich. Ich sorge dafür, dass er staunt, dass etwas unvorhersehbar ist. Ich habe übrigens ein Geschenk für dich«, fügte die Schlange mit einem boshaften Zischeln hinzu. »Du findest es bei deiner Rückkehr in der Höhle. Es wird dir helfen, dich zu ernähren, dich zu wärmen. Aber du musst dich beeilen. Ich habe Eva zwar gewarnt, aber sie wollte nicht auf mich hören. Wenn du nicht schnell machst, dann kommt sie ums Leben.«
Als er das hörte, richtete sich Adam vor Schreck kerzengerade auf. Seine Muskeln spannten sich, er ballte die Fäuste. Er rief Kain und machte sich auf den Rückweg zur Höhle, so schnell ihn seine Beine trugen. Die Reste des Hasen nahm er mit, um sie mit Eva zu teilen.
Als er die Steppe überquerte, sah er eine Gruppe Tiger, die wild brüllten. Sie bildeten einen Kreis, wahrscheinlich, um ihre Beute zu schützen. Er bewegte sich mit größter Vorsicht, um ihnen zu bedeuten, dass er nicht die Absicht hatte, ihnen den Fang streitig zu machen, und ging in einem Bogen um die Stelle herum, bis er hinter den nächsten Felsen seinen Weg in der gebotenen Eile fortsetzen konnte. All das Großwild kam ihm in den Sinn, dem er Namen gegeben hatte. Jeder von ihnen hatte Hunger, dachte er, wer da wohl wen verschlingen mochte?
Noch ein gutes Stück von seiner Wohnstatt entfernt, sah er den Rauch und die Flammen aus der Höhle schlagen und die Feigenbäume einhüllen. Jemand hatte die Steine am Eingang mit Sträuchern und Kräutern bedeckt. Das Feuer gewann an Boden und erhob sich mit lodernder Zunge. Er blieb stehen, außerstande, etwas zu tun. Bevor er die Angst kennenlernen musste, hatte ihn das Feuer schon eingeschüchtert. Es war das mächtigste und großartigste aller Elemente. Als er es jetzt sah, als er Hitze und Rauch bereits spürte und sich vorstellte, dass Eva da drinnen war, überfiel ihn die nackte Panik und Ohnmacht. Der Hund drehte wie verrückt seine Runden, bellte und jaulte in einem fort. Schließlich näherte er sich, so weit er konnte, und versuchte das Brennen auszuhalten, indem er das Gesicht mit den Händen bedeckte. Wie der Hund begann auch er zu jaulen und zu wimmern und mit den Füßen auf den Boden zu stampfen und laut nach Eva zu rufen. Der Rauch erstickte ihn. Unmöglich würde Elohim zulassen, dass die Schlange sie tötete. Hatte er nicht selbst gesagt, es sei für sie noch nicht an der Zeit, zu sterben?
Von nie gekannter Verzweiflung gepackt, fing er an, lauthals nach ihm zu schreien, zu fluchen und zu flehen.
»Elohim, Elohiiiiiiim«, rief er und rannte vor der Höhle auf und ab, das Gesicht dem Garten zugewandt.
Kurz darauf sah er den Phönix erscheinen. Mit riesigen rotgoldenen Schwingen kam der
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