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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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Riesenauge vor, ganz weit weg, das dieses kristallklare Wasser weinte. Der Fluss hatte es schrecklich eilig, obwohl er keinen anderen Zweck erfüllte, als nur zu fließen und zu fließen. Sie lauschte seinem Plätschern und Murmeln. War es möglich, dass die Vögel im Fluss starben und im Wasser weitersangen? Die Steine, sonst so ausdruckslos und stumm, erschienen im Wasser weich und gefügig. Der Fluss kam von ganz weit her. Er verlor sich am Horizont. Sie erinnerte sich, vom Berggipfel aus, wo sie sich ins Leere gestürzt hatten, zwei lange Wasserschnüre gesehen zu haben, die sich durch die Landschaft schlängelten und in der Ferne immer kleiner wurden. Denen, so dachte sie, sollten sie einmal folgen, um herauszufinden, wo sie hinführten.
     
    Sie wanderte im Schatten der Bäume und sog genüsslich den Pflanzenduft ein. Überall wimmelte es von Eichhörnchen, Vögeln und Insekten. Der Hund witterte etwas. Er machte halt und hob ein Bein. Vom Ufer sprang Eva auf eine kleine Insel und hielt sich dabei an den Steinen fest, die aus dem Fluss ragten. Der Hund schwamm. Dann ging sie auch ins Wasser und watete ans andere Ufer.
    In einem Palmblatt sammelte sie Früchte, die ihr fleischig und essbar vorkamen. Die Landschaft auf dieser Seite war grüner und fruchtbarer. Es gab dicht belaubte Bäume und kleine Palmen, an denen ganze Büschel von Datteln hingen. Begeistert von diesem Fund, riss sie die Früchte ab. Sie fand auch hohes goldgelbes Gestrüpp mit Federbüschen aus kleinen, harten Körnern, die sie kostete. Von einer sonderbaren Kraft ergriffen, ging sie weiter wie ein Reh und schaute nach hier und da, jedoch nicht mehr in der kontemplativen Haltung von vorher, sondern in der klaren Absicht, in der Natur etwas zu finden, was sie verwenden oder nutzen konnte. Sie riss lange, bleiche Blätter aus und knüpfte sie aneinander, um ihre Last zu tragen. Sie sammelte Schalen, Samen, Blumen und untersuchte alles eingehend und in der Gewissheit, von Zeichen umgeben zu sein, die sie mit der gehörigen Aufmerksamkeit und Geduld würde entschlüsseln können. Am Abend zuvor hatte sie beim Anblick der Phönixfedern im Geiste für Adam und sich ein Federkleid gemacht, doch die einzeln auf dem Boden verstreuten Federn reichten dafür nicht aus.
    Als sie mit ihrer kleinen Beute auf dem Rückweg war, wurde ihr für einen Augenblick schwindelig. Sie fürchtete, bei der Durchquerung des Flusses bis zur Insel alles zu verlieren. Nachdem sie beobachtet hatte, dass das Holz, ohne unterzugehen, auf der Strömung trieb, fügte sie zwei Äste mit dichten, trockenen Zweigen mit Hilfe der mitgebrachten Lianen zusammen und baute so ein kleines Floß, um ihr Bündel darauf zu befördern. Der Hund legte sich in den Schatten, während sie arbeitete. Endlich erreichte Eva, fröstelnd, aber glücklich, das andere Ufer. Und sie wusste, dass das, was sie an jenem Tag getan hatte, gut war.

Kapitel 13
    A dam hatte weitere Hasen getötet und ihnen die Häute abgezogen. Sie wurde traurig, als sie bei ihrer Rückkehr die in der Sonne ausgebreiteten Felle auf den Felsen sah – steife, abgelegte Hüllen. Als sie eintrat, lag der Mann schlafend in der Höhle, das angespannte Gesicht schien am Traum Halt zu suchen, während die Reste seines Festschmauses auf dem Boden um die Feuerstelle zerstreut lagen, wo noch trockene Holzstücke brannten.
    Die in seiner Nähe ausgestreckte Katze hob den Kopf und sah sie gleichmütig an. Der Hund stürzte sich auf die abgenagten Knochen und schleppte sie in einen Winkel der Grotte.
    Sie öffnete ihr Bündel mit den Früchten und aß Datteln und Orangen.
     
    »Die Erde auf der anderen Seite des Flusses ist so ähnlich wie der Garten. Da stehen viele Bäume, und sie tragen Früchte. Schau mal, was ich alles mitgebracht habe«, sagte sie, als er aufwachte. »Du brauchst keine Hasen mehr zu töten.«
    »Hast du gesehen, wie viele ich gefangen habe? Ich habe auf der einen Seite der Steppe einen Holzklotz in Brand gesetzt und bin dann auf die andere Seite gelaufen. Da kamen sie alle angerannt. Wenn du dabei gewesen wärst, hätten wir sogar noch mehr.«
    Er lächelte stolz und war sichtlich mit sich zufrieden.
    »Wozu denn so viele?«
    »Mit den Häuten können wir uns bedecken, und an Nahrung wird es uns nicht mehr fehlen.«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass es auf der anderen Seite des Flusses Unmengen von Früchten gibt.«
    »Wir sollten nicht so weit fortgehen von hier, Eva. Lass uns lieber in der Nähe des Gartens

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