Unendlichkeit in ihrer Hand
Fleisch des Hasen und betrachtete die matten Pupillen.
»Und das gibst du mir zu essen? Den Tod?«
»Heute Morgen hat die Katze einen Vogel entdeckt. Sie hat ihn getötet und gefressen. Später hat Kain einen Hasen gefangen und ihn ebenfalls gefressen. Als ich ihn den zweiten jagen sah, habe ich ihn an mich genommen und mitgebracht, um ihn mit dir zu teilen. Wir werden noch weitere Tiere töten und essen müssen, wenn wir überleben wollen. Das hat die Schlange mir gesagt. Sie hat Mäuse und Rotwild gegessen. Wir können uns nicht nur von Feigen ernähren. Das Hasenfleisch ist gar nicht übel. Ich habe es probiert.«
»Und das glaubst du der Schlange, Adam? Du glaubst, dass wir töten müssen, damit wir leben?«
Eva sah ihn erschrocken und ungläubig an.
»Ich weiß nur eins: Als ich sah, wie die Katze den Vogel gefressen hat, da wusste ich, dass wir genau das tun müssen. Es gibt viele Hasen, Eva.«
Eva senkte den Kopf und legte in einer Gebärde der Hoffnungslosigkeit die verschränkten Hände in den Nacken.
»Wer ist der Andere? Wer ist die Schlange? Wer sind diese beiden Wesen, Adam? Was wollen sie von uns? Eins betrügt uns, das andere bestraft uns. Sie tun so, als wären sie unsere Freunde, aber sie widersprechen sich gegenseitig. Wenn uns schon beim Verzehr einer einzigen Frucht diese Strafe auferlegt wird, was glaubst du, was passiert, wenn wir töten, um zu essen? Ich will nicht töten, Adam. Woher sollen wir denn wissen, was wir töten sollen und was nicht? Töten, um zu essen«, wiederholte sie, und ihre Miene spiegelte Widerwillen und Verwunderung. »Wer ist denn nur auf die Idee gekommen?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass es von Hasen nur so wimmelt. Elohim hat sie bestimmt zu diesem Zweck erschaffen.«
»Du kannst sicher sein, dass es dem Hasen, den du tötest, ziemlich egal ist, wie viele Hasen es noch gibt. Und was ist, wenn ein anderes Tier darauf kommt, dass wir für ihn der Hase sind?«
»Wir werden Tag für Tag überleben und dazulernen müssen. Ich kann dir all die Fragen nicht beantworten.«
»Du sollst nicht töten. Das sagt mir mein ganzer Körper. Wenn der Tod eine so große Strafe ist, warum müssen wir ihn dann anderen zufügen? Es scheint Elohim schwerzufallen, sich an unsere Stelle zu versetzen. Er glaubt, er wüsste, was für uns am besten ist, aber ich kann mich sehr wohl in den Hasen hineinversetzen. Das arme Geschöpf. Schau ihn dir doch an, ein Häuflein Elend.«
»Es geht nicht darum, zu töten, um zu töten, sondern um zu überleben.«
»Das war im Garten aber nicht so.«
»Du warst es doch, die Gut und Böse kennenlernen wollte. Vielleicht ist das ja das Böse. Wir müssen es ausprobieren. Wenn wir es nicht tun, werden wir sterben.«
»Wir werden so oder so sterben.«
»Elohim hat gesagt, dass unsere Zeit noch nicht gekommen ist.«
»So wie du sagst, dass dies das Böse ist und wir es ausprobieren müssen.«
»Ja.«
»Aber wir sind doch frei, Adam, wir können wählen. Wenn du der Meinung bist, dass wir uns schon einmal geirrt haben, warum sollen wir dann noch mal das Falsche tun? Sie haben uns allein gelassen. Jetzt entscheiden wir, wie wir leben wollen.«
Audio: Töten um zu leben (01:40)
Adam sah sie lange an. Er bewunderte ihre Vehemenz. Dennoch war sie es gewesen, die sie an diese Wegscheide geführt hatte. Sie hatte keine Angst davor gehabt, Gut und Böse kennenzulernen, aber jetzt hatte sie plötzlich Angst davor, zu tun, was sie zum Überleben tun mussten.
»Du hast die Frucht gegessen.«
»Ich wollte wissen, Adam. Ich weiß jetzt mehr als im Paradies. Deshalb bitte ich dich, nicht zu töten.«
»Wenn wir die Frucht nicht gegessen hätten, dann hätten wir vielleicht auch niemals töten müssen, aber jetzt sind wir allein. Ich kann mich nicht nur nach dir richten. Auch ich weiß, was ich zu tun habe. Vielleicht ist es ja nicht deine Aufgabe, zu töten. Vielleicht sind wir deswegen verschieden.«
»Vielleicht, Adam. Meinetwegen kannst du das glauben.«
»Ich bin größer und stärker als du. Ich fühle mich dafür verantwortlich, dass wir es schaffen, zu überleben.«
»Ich fühle mich dafür verantwortlich, dich zu beschützen. Und jetzt geht es anscheinend darum, dich vor dir selbst zu beschützen. Wir sind keine Tiere, Adam.«
»Woher weißt du das? Nur die Worte, die wir gebrauchen, unterscheiden uns von ihnen.«
»Und das Wissen.«
»Ich weiß, dass wir essen müssen. Die Tiere wissen auch, dass sie essen müssen. Nur dir passt
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