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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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danach einen anderen Garten?«
    »Was sollen wir da mit dem Wissen von Gut und Böse, das wir erworben haben?«
    »Ich weiß es nicht, Eva. Ich weiß es ja nicht. Wollen wir versuchen, noch mal rüberzugehen? Ich will so gerne hinein.«
    Sie tasteten sich vorsichtig voran, weil sie fürchteten, wieder von dem peitschenden Feuer verfolgt zu werden. Vom Garten waren kaum noch feste Strukturen da. Nichts und niemand hinderte sie am Fortkommen. Sie gingen zwischen den Silhouetten von Bäumen und Pflanzen umher. Im Rückstau der Luft lebten noch bestimmte Düfte fort und sogar der Gesang einiger Vögel. Hier und da legte sich Farbe wie Schaum auf ihre Haut. Auch der Garten nahm Abschied und leckte sie wie ein Hund.
    An der Stelle, wo Adam mit Eva an seiner Seite erwacht war, fand er drei Pflänzchen, deren Wurzeln unter der Erde eine Einheit bildeten. Vorsichtig grub er sie aus. Er wollte sie mitnehmen, einpflanzen und wachsen lassen, damit er sich in ihrem Schatten der Illusion hingeben konnte, wieder im Paradies zu weilen.
    Sie gelangten ins Herz des Gartens, dorthin, wo die Bäume der Erkenntnis und des Lebens gestanden hatten. Die Farben schwebten bereits wieder über ihren Köpfen und formten eine weit ausstrahlende grüne Lichterkette. Wie schön, sagte Eva. Schönheit. So hieß das. Sie freute sich, das richtige Wort gefunden zu haben. Mehr als einmal hatte sie nämlich danach gesucht, im Lande ihrer Vertreibung, das sie mit seinen gewaltigen Sonnenauf- und -untergängen, seinen Tälern und Flüssen allmählich für sich einnahm. Schönheit war dort, wo das Auge sie zu erkennen vermochte. Vielleicht gab es sie sogar im Tod. Vielleicht war er gar nicht so schlimm. Kopfschüttelnd betrachtete sie ihre Hände. Ihr Haar und ihre Fingernägel waren gewachsen. Wie lange ihr Leben wohl dauern würde außerhalb der Ewigkeit des Gartens?

Kapitel 14
    S ie gingen langsam und lustlos zur Höhle zurück. Der Garten war schon lange nicht mehr zugänglich für sie, aber sie hatten immer gewusst, wo er war, stets hatten sie ihn sehen können, wenn auch in weiter Ferne. Diese Gewissheit war bisher ein merkwürdiger Trost für sie gewesen. Der Garten war ihr Ausgangspunkt, ihre Herkunft. Da er nun verschwunden war, blieben ihnen nur noch die davon bewahrten Bilder, ihre Erinnerungen, die sich im Laufe der Zeit mit ihren Träumen mischen würden.
    Adam ging vorneweg. Eva hielt sich, in Gedanken versunken, hinter ihm. Die Worte der Schlange kamen ihr in den Sinn: »Er langweilt sich. Er erschafft Planeten und Konstellationen, und dann vergisst er sie.«
    Kaum hatte sie die Kreatur innerlich heraufbeschworen, da hörte sie neben sich etwas zischeln und nach ihr rufen. Eine kleine Staubwolke wurde aufgewirbelt, als die Schlange mit raschen Windungen Eva einzuholen suchte.
    »Hat er dich nicht mitgenommen? Hat er denn auch dich verlassen?«, wunderte sich Eva.
    »Er will allein sein. Ich glaube, er ist traurig. Aber das hat er sich selbst zuzuschreiben. Er erschafft seine eigenen Trugbilder. Schau mal, euch hat er zu seinem Bilde gemacht, das ihm gleich ist, aber er hat sich nicht getraut, euch mehr Freiheit zu geben als die, eure eigenen Grenzen kennenzulernen. Allerdings gebe ich zu, ich habe es selten erlebt, dass er – abgesehen von mir – mit einem Geschöpf so viel Macht teilt. Jetzt gehört die Erde euch. Ihr könnt sie neu erschaffen und Gut und Böse so definieren, wie es euch passt.«
    »So wie es uns passt?«
    »Er ist ja nicht mehr da. Er wird euch nicht mehr täglich miterleben, und er wird euch auch nicht ständig was ins Ohr flüstern.«
    Das stimmte Eva nachdenklich.
    »Wir werden lernen müssen, Gut und Böse zu unterscheiden. Wir haben die Frucht vom Baum gegessen.«
    »Genau.«
    »Tiere essen und sie dafür zu töten, ist das gut oder ist das böse?«
    »Dass Adam Hunger hat, ist das gut oder böse?«, fragte die Schlange ironisch zurück.
    »Er kann auch etwas anderes essen.«
    »Er ist der Meinung, dass es nicht genügt, von Früchten und Nüssen zu leben. Davon wird er nicht satt.«
    »Andere Tiere töten auch. Zum Beispiel die Katze und der Hund.«
    »Und sie wissen nichts. Gut und Böse sind Extreme. Es gibt viele Zwischenstufen.«
    »Du verwirrst mich.«
    »Die Sache ist verwirrend. Aber genau danach wolltest du dich doch auf die Suche machen.«
    »Ich finde es nicht gut, zu töten, um zu essen.«
    »Dann tu es nicht. Überzeuge Adam.«
    »Das habe ich versucht, aber er besteht darauf.«
    »Besteh du auch

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