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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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Fisch in ihrer Hand hielt ganz still. Die Fische boten sich ihr an. Sie wollten von ihr gefangen werden. Sie hob den Kopf und sah Adam am Ufer gestikulieren. Er forderte sie auf, die Fische zu nehmen und aus dem Wasser in seine Richtung zu werfen.
    Sie hielt den größten in der Mitte fest. Dann warf sie ihn mit einer raschen Handbewegung auf Adam zu und vermied es, nachzudenken und das lebendige Zappeln des Geschöpfes zu spüren. Die Fische umringten sie immer noch und strichen ihr über die Haut, als wollten sie, dass sie mit ihnen das Gleiche täte. Sie packte einen zweiten. Und warf ihn ans Ufer. Vier- oder fünfmal tat sie das. Bis sie vor Kälte mit den Zähnen klapperte, halb erfroren, aber gerührt von dem stummen, sanften Ritual der Fische, die sich ihr hingaben, als wüssten sie, dass sie sie brauchte.
    Adam hatte längst das Geheimnis des Feuers entdeckt, so dass er trockene Äste sammelte und so lange zwei Steine aneinander schlug, bis sich ein kleiner Funken löste und die Glut entfachte.
    Eva betrachtete die fünf toten Fische. Sie sah in ihre starren Augen. Dann nahm sie einen in die Hand und sprach mit ihm. Sie bat ihn um Verzeihung. Anschließend begann sie, einem nach dem anderen mit Hilfe ihrer inzwischen langen Fingernägel die Schuppen auszureißen, mechanisch und mit verlorenem Blick, ehe sie ihn an Adam weiterreichte.
    Sie aß das weiße Fleisch mit geschlossenen Augen. Es schmeckte mild und süß wie die Blüten des Paradieses.

Kapitel 15
    A llmählich kam Eva wieder zu Kräften. Die Pilze mit den verschachtelten Hüten, die im Dickicht am Flussufer wuchsen, brachten sie auf die Idee, Pflanzenfasern aneinanderzuknoten und daraus ein Netz zu knüpfen, um darin Fische zu fangen. Wenn sie diese später aß, gab sie sich Mühe, nicht an ihre geschickten Schwimmbewegungen in der Strömung zu denken. Um sich nicht schuldig zu fühlen, redete sie sich ein, dass die Wasserwesen einen anderen Tod erlitten als die Erdenwesen. Sie stellte sich vor, dass sie mit der gleichen Sanftmut, mit der sie ein Leben lang stumm im Wasser schwammen, von dem einen in den anderen Zustand übergingen. Sie träumte, dass die von ihr verzehrten Fische in ihrem Bauch weiterlebten, in einer gewölbten Zuflucht, die jeden Tag ein wenig größer wurde.
    Sie wollte wieder zum Meer. Die Erinnerung an die Austern und die Vorstellung, der Frau aus ihrem Traum zu begegnen, das sachte Rollen der Wellen, der Wunsch, alleine loszuziehen, ohne dass der Mann darauf bestand, sie zu begleiten, nahmen ganz von ihr Besitz. Eines Morgens wartete sie, bis Adam aufgebrochen war, und machte sich dann auf den Weg.
    Ihr gefiel die Erkenntnis, dass außer ihren Gedanken nichts und niemand bei ihr war. Sie stieg den Hang hinunter und betrachtete den über der Höhle aufragenden Berg, felsig und zerklüftet bis zum Gipfel, mit den Sträuchern, deren Dornen ihr bei der Ankunft die Haut aufgerissen hatten. Als sie abstieg, entdeckte sie in der Ebene eine Herde kleiner Tiere mit langem Hals und kurzen Hörnern auf dem Kopf. Ziegen, dachte sie. Die Geschöpfe aus dem Garten hatten sich überall verstreut. Adam hatte ihr erzählt, dass er Elefanten, Giraffen und Zebras am Horizont hatte verschwinden sehen, die immer weitergingen, als hätte ihnen endlich jemand die Richtung gewiesen. Einige Tiere waren ganz verschwunden, andere nach dem Donner der ersten Tage zurückgekehrt. Manche zeigten sich offen, und wieder andere schlichen geduckt umher wie Adam auf der Jagd nach kleineren oder zutraulicheren Arten. Sie dachte an die Hyänen, verbannte den Gedanken aber sofort wieder aus ihrem Geist, um sich nicht zu ängstigen.
    Am Ende der Ebene hoben sich die Umrisse eines Gebirgszuges deutlich vor dem hellen Tag ab. Wunderschön stand das dichte Grün an den Rändern des Flusses. Um zum Meer zu gelangen, musste sie auf der anderen Seite des Gebirges eine bewaldete Mulde durchqueren, ein paar Hügel überwinden und dann ein weites, einsames Stück Flachland, das hier und da von einer Palmgruppe unterbrochen war. Wenn sie Glück hatte, war sie gegen Abend in der Höhle zurück.
    Sie folgte der Ebene an der Bergflanke, die um das Gebirge herumführte, bis die Waldung begann. Das Gelände ging steil abwärts. Sie versuchte, den Hügel auf der anderen Seite, von dem aus man das Meer schon sehen konnte, nicht aus den Augen zu verlieren, aber kurz darauf war sie bereits von hohen Stämmen und dichtem Laub umgeben. Im Unterschied zu dem stets lichtdurchfluteten

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