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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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weh tat, weinte er nur selten, als wohnte seit seiner zartesten Jugend das Bewusstsein eines Erwachsenen in ihm, der geduldig auf das Reifen seines Körpers wartete. Luluwa, die schöne Luluwa, galt ihm als Anfang und Ende seiner Seligkeit. Eva empfand die beiden als zwei Seiten eines einzigen Wesens, das nur existierte, wenn sie zusammen waren. Beide waren sie schweigsam und in sich gekehrt, wenn Dritte dabei waren, miteinander aber warm und liebevoll. Sie hatten die Gabe, sich nur mit den Augen zu verständigen. Luluwas wachsende Schönheit, die nicht nur Abel, sondern sogar Adam in Aufruhr versetzte, war für Kain so natürlich und selbstverständlich wie das Erblühen eines Baumes, der sich bereitmacht, Früchte zu tragen. Diese innige Nähe zu Luluwa hieß indes nicht, dass ihm ihre Schönheit gleichgültig war. Vielmehr war sie der Quell seines ganzen Glückes, denn er war sicher, dass Luluwa ihm gehörte und er sie immer bei sich haben würde.
     
    »Bist du sicher, Adam, dass Elohim gesagt hat, das Blut dürfe sich nicht mischen? Die Tiere mischen es nämlich.«
    »Du weißt, dass wir anders sind.«
     
    Er sagte, dass es ihm unmöglich sei, gegen seine Träume zu handeln. Eva dagegen wurde von dem Verdacht gepeinigt, dass seine Vorliebe für Abel in dem Traum eine Rolle spielte. Abels Gabe, mit den Tieren zu sprechen, erinnerte Adam daran, wie sie ihm im Paradies gehorcht hatten. Abel war bildschön, wie Luluwa. Sein Körperbau überbot den des Vaters. Sein Gesicht war kupferfarben mit einer langen, geraden Nase, einer hohen Stirn und ausgeprägten Wangenknochen. Er war lebhaft, und seine Augen hatten wie die seiner Schwester die Farbe der hellen Blätter am Lebensbaum.
    Kain war kleiner als er. Seine Züge waren nicht so ebenmäßig wie die des Bruders, jedoch ansprechend und nicht unschön. Doch hatte Kain womöglich von klein an gespürt, dass seine Zuneigung zur Erde und zur Stille den Vater enttäuschte, und wurde aus diesem Grund ein scheuer, wortkarger Junge. Er ging leicht gebeugt. Wenn der Vater ihn ansprach, senkte er die Augen. Zweifellos verübelte er diesem die ständigen Vergleiche mit Abel und sogar mit dem gescheiten, treuen Hund, dessen Namen er geerbt hatte. Eva gegenüber verhielt er sich überaus herzlich, was seine Schweigsamkeit aufwog. Ihr brachte er die süßesten Birnen. Sie lobte die Früchte seiner Pflanzenzucht, die Mühe, die es kostete, sie zu kreuzen und mit dem Wasser der Quelle zu speisen, wozu er eigenhändig neue Kanäle grub. Luluwa und Kain ernteten seltsame Hybriden, die Eva und Aklia als Erste probierten, wodurch sie nicht nur einmal erkrankten.
    Während Kain und Luluwa still mit ihren Fruchtkörben bei ihr erschienen, waren Abels Auftritte in der Höhle triumphal: Er brachte die Milch der Ziegen, die ihm in Scharen folgten, er jagte Hirsche, weidete Lämmer, hatte weitere Hunde gezähmt und erreichte sogar, dass Raubvögel wie der Falke ihre Beute mit ihm teilten. Abels sanftmütiger Güte konnte man schwer widerstehen. Und Eva war davon überzeugt, dass er die Eifersucht seines Bruders gar nicht wahrnahm. Abels Welt war einfach und unschuldig. Er bekam fortwährend Bestätigung und Lob vom Vater und genoss die Gesellschaft der Tiere. Er verbrachte seine Tage in den Wäldern jenseits des Flusses, lächelnd durchstreifte er sie, um bei Sonnenuntergang mit seinen Geschichten zurückzukehren. Kain war böse darüber, dass Elohim seine Eltern aus dem Paradies vertrieben hatte, Abel dagegen warb um Elohims Gunst. Auf dem Stein, auf dem Adam nie aufgehört hatte, dem Anderen die Erstlinge vom Schweiße seines Angesichts zu opfern, bot Abel ihm auch seine Gaben dar.
     

    Audio: Kain und Abel (02:06)
     
    »Abel hat ein schlichteres Gemüt. Er wäre mit Aklia besser dran. Sie ist nicht hübsch, aber sie vermag die Welt zu deuten. Sie hat aus den Knochen der Hirsche Angelhaken gemacht und Nadeln aus Fischgräten. Sie kann besser denken als Luluwa«, wandte Eva ein.
    »Wenn du dir um Kain nicht so viele Sorgen machen würdest, dann hättest du schon gemerkt, dass Aklia ihn liebt, nicht Abel.«
    »Sie würde Abel auch lieben. Es ist leicht, ihn zu lieben.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass sie ihn nicht auch liebt. Aber sie mag Kain lieber.«
    »Was glaubst du, wann sie anfangen werden, sich so anzusehen wie wir, nachdem wir die Frucht vom Baum gegessen hatten?«
    »Ich glaube, es wird nicht mehr lange dauern, Eva.«
    »Hast du gesehen, dass Aklia und Luluwa schon Brüste

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