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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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Jahreszeit hatte eingesetzt. Die Männer machten sich alleine auf den Weg, um Baumstämme für die Brücke über den Graben zu suchen. Eva behielt die Töchter bei sich. Sie setzte sich mit ihnen auf das Bärenfell. Dann schürte sie das Feuer. Sie suchte nach Worten, um ihnen alles zu sagen, was sie wissen wollten.
    Sie sei in Adam gewesen, erzählte sie dann, bevor sie mit ihm die Frucht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen hatte, aber Adam sei damals nie in ihr gewesen. Als sie noch ewig waren, hatten sie nie gespürt, dass sie einander brauchten. Der Tod habe sie dazu gezwungen, eine andere Art von Ewigkeit zu suchen: Sie würden jene selbst erschaffen, die ihr Andenken bewahren und weiterleben würden, wenn sie Abschied nahmen. Elohim habe gesagt, sie seien Staub und zu Staub würden sie werden. Aber er habe ihnen auch befohlen, zu wachsen und sich zu mehren.
     
    Sie wisse nicht, ob es bei ihnen genauso sein werde, fuhr sie dann fort. Bei ihr sei es so gewesen, dass sie eines Tages einen ganz tiefen Wunsch verspürt habe, Adam in sich zu fühlen. »Es war, als könnte meine Haut sehen und greifen«, erzählte sie. »Ich wollte ihn von innen sehen. Ich wollte die Luft in ihm berühren. Ihn atmen. Ich wollte seinen Körper verstehen und ich wollte, dass er meinen Körper verstand. Ich wollte auf andere Weise mit ihm reden, auf eine verlässlichere Weise als mit Worten, so wie sich die Katze verständlich macht, wenn sie um unsere Beine streicht, damit wir merken, dass sie uns erkennt. Eurem Vater ging es ebenso.
    Wir haben mit den Mündern angefangen, sie zusammengebracht und die Zungen, weil unsere Verständigung von dort ausgeht. Wir haben die Spucke und die Zähne erforscht, und plötzlich hat eine unbekannte Sprache von uns Besitz ergriffen. Es war eine heiße Sprache, als wäre in unserem Blut ein Feuer entbrannt, ihre Worte hatten aber keine Form. Es waren eher lange Seufzer, obwohl uns nichts weh tat. Es war ein Stöhnen und Knurren, was weiß ich. Unsere Hände füllten sich mit Zeichen und hatten den Drang, unsichtbare Dinge auf unsere Körper zu malen. Bei mir wurde das Geschlecht feucht. Ich dachte, ich würde Wasser lassen, aber es war nicht dasselbe. Das Glied zwischen Adams Beinen wuchs und wurde ganz groß, bis es wie eine Hand auf meine Mitte zeigte. Endlich verstanden wir, dass dieser Körperteil zu mir hineinmusste, damit wir wieder eins wurden. Es hat weh getan, als er in mein feuchtes Inneres eindrang. Ich dachte, dass er nicht hineinpassen würde, aber er hat sich in der Enge eingerichtet. Anfangs war das Gefühl merkwürdig. Wir haben angefangen, uns zu bewegen. Ich glaube, Adam dachte, er könnte mein Herz berühren. Er tauchte ein und suchte mich in der Tiefe. Wir haben geschaukelt, wie das Meer am Strand. Dann habe ich gespürt, dass mein Bauch diese Hand drücken wollte, sie schütteln, sich ihr entgegenstrecken. Ich glaubte, die Empfindung nicht länger aushalten zu können. Dann breitete sich ein Strahl über meine Beine aus, stieg über den Bauch in die Brust, die Arme und bis in den Kopf. Ich habe genauso gezittert wie die Erde, wenn der Blitz einschlägt. Adam sagt, für ihn sei es ein Überfließen gewesen, ein Fluss, der gewaltig über die Ufer getreten sei und sich in mich ergossen habe. Er hat auch gezittert«, sagte Eva lächelnd. »Er hat geschrien. Und ich glaube, ich auch. Das war alles. Danach sind wir eingeschlafen.
    Wir haben es oft wiederholt, als wir schon hier in der Höhle lebten, außerhalb des Paradieses. So haben wir uns getröstet. Wir hatten also auch etwas gewonnen, als wir die Ewigkeit im Garten verloren. Wir nennen es Liebe. Als wir Liebe gemacht haben, hat sich Adam mit euch vermischt, mit Kain und mit Abel. Ich glaube, dass sie ihm deshalb ähnlich sehen.«
     
    Aklia und Luluwa saßen nachdenklich da. Sie hatten ihr aufmerksam gelauscht. Ich habe ihnen den einfacheren Teil erzählt, dachte Eva und fürchtete sich vor dem, was ihr noch bevorstand, der Frage, die nicht lange auf sich warten ließ: Mit wem werden wir Liebe machen?, wollten die Töchter wissen. Werden unsere Kinder Kain oder Abel ähnlich sehen?

Kapitel 24
    S ie dachten, sie hätten nicht viel aus der alten Höhle mitzunehmen, aber als sie im Gänsemarsch am Rande der Ebene zu ihrer neuen Bleibe unterwegs waren, da sahen die Frau, der Mann, ihre Söhne und ihre Töchter aus wie eine Ameisenstraße.
     
    Eva ging langsam und schleppend. Erst als sie die Muscheln und Knochen und

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