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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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seine Weise.«
    »Was wird mit meinen Söhnen geschehen?«
    »Du wirst Gut und Böse kennenlernen.«
    »Werden sie leiden?«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass Erkenntnis Leid mit sich bringt.«
    »Du redest immer in Rätseln.«
    »Ich kann nicht anders reden.«
    »Sag mir, was das Böse ist? Bist du das Böse?«
    Die Schlange lachte.
    »Ich? Das ist ja lachhaft. Das Böse, das Gute, alles, was auf diesem Planeten ist und je sein wird, stammt auch von hier: von dir, von deinen Kindern, von den kommenden Generationen. Erkenntnis und Freiheit sind Gaben, von denen du, Eva, als Erste Gebrauch gemacht hast. Deine Nachkommen werden selbst lernen müssen, damit umzugehen. Sie werden zwar oft die Schuld bei dir suchen, aber das Leben wäre ohne diese Gaben unerträglich für sie. Sie werden die Erinnerung an das Paradies im Blut tragen, und wenn sie Elohims Spiel durchschauen und nicht in die Fallen tappen, die er ihnen stellt, dann schließt sich eines Tages der Kreislauf, und sie werden erkennen, dass Anfang und Ende eins sind. Um dorthin zu gelangen, werden sie nichts haben außer Freiheit und Erkenntnis.«
    »Willst du damit sagen, dass wir selber Gut und Böse erschaffen?«
    »Es ist ja sonst niemand da. Ihr seid alleine auf der Welt.«
    »Und Elohim?«
    »Er wird sich hin und wieder an euch erinnern, aber sein Vergessen ist genauso groß wie sein Gedächtnis.«
    »Wir sind allein.«
    »Erst wenn ihr das akzeptiert habt, werdet ihr wirklich frei sein. Und jetzt muss ich los.«
    »Wirst auch du dich auflösen wie der Garten? Werden wir uns wiedersehen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ich glaube schon. Ich glaube, du wirst mich nicht vergessen.«
    »Akzeptiere deine Einsamkeit, Eva. Denk weder an mich noch an Elohim. Schau dich um. Nutze deine Gaben.«
     
    Die Schlange löste sich plötzlich in Luft auf. Am Nachmittag kehrte Eva auf dem gleichen Weg zurück. Es wehte ein kräftiger Wind. Ein Gewitter kündigte sich an. Sie fragte sich, ob sie die Gewissheit, allein zu sein, überhaupt ertragen könnten. Aber waren sie denn allein? Sie erinnerte sich an die Felle, die sie bei ihrer Vertreibung aus dem Garten Eden vorgefunden hatten, an den Wind, der ihnen das Leben gerettet hatte, als sie sich von den Klippen gestürzt hatten, und an den roten Mond, der sich kürzlich verborgen hatte. Woher kamen diese Zeichen? Wollte die Schlange vielleicht, dass sie Elohim vergaßen?
    Es stimmte, wenn sie allein waren, dann gab es nur sie, um Gut und Böse zu unterscheiden, nur dann konnten sie lernen zu leben, ohne irgendetwas zu erwarten, was sie nicht selbst leisten konnten, und nur dann konnten sie den Sinn ihrer Existenz deuten.
    Vielleicht war das die Freiheit, von der die Schlange redete. Wenn Elohim sie dazu verleitet hatte, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen, um sie anschließend zu vergessen und andere Welten zu erschaffen, dann war das Wissen und alles, was geschehen war, bis hin zu ihrer Vertreibung aus dem Garten, ein Geschenk und keine Strafe. Es war ein Vertrauensbeweis, dass sie und alle, die nach ihnen kommen und jene Weiten bevölkern würden, sich zurechtfinden und sich ein Leben aufbauen würden, das ihnen über die Gewissheit des Todes hinweghalf.
    Aber wie passten die Anweisungen dazu? Kain mit Aklia, Abel mit Luluwa? Wie sollten sie ihre Freiheit nutzen und gleichzeitig gegen ihr Herz handeln, um einer fremden Bestimmung wie dieser zu gehorchen? Warum wurden sie immer vor dieselbe Alternative gestellt, Gehorsam oder Ungehorsam, und mussten mit der Angst vor Bestrafung leben? Nein, dachte Eva. Wir sind nicht allein. Wir wären es besser.
     
    Sie kam bei der Höhle an. Es nieselte. Luluwa und Aklia waren dabei, Palmwedel zu Körben zu flechten, damit sie darin Früchte sammeln konnten. Sie wirkten bedrückt von all den unausgesprochenen Ahnungen. Ohne dass Eva oder Adam ihnen etwas gesagt hätten, wussten Aklia und Luluwa, dass der Ausflug von Vater und Brüdern mehr war als ein Jagdausflug. Sie hatten geblutet. Sie waren Frauen. Auf sie wartete das Leben.
    Wann kommen sie wieder?, fragten sie. Bald, sagte Eva. Sie spürte die Unruhe der Töchter, als wäre es ihre eigene, konnte sich aber nicht dazu durchringen, ihnen über ihre Zukunft Bescheid zu sagen. Sie formte die Worte, kaute darauf herum, spürte sie schon im Mund, aber irgendetwas in ihr weigerte sich, sie auszusprechen. Sie wollte ihre Leichtigkeit nicht stören, den Schmerz hinauszögern, sie so lange wie möglich in dem engmaschigen Netz behalten, das ihr

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