Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
nennt sich Kaffee, Kiste. Und ich trinke viel zu viel von dem verdammten Zeug.«
    »War nur ein Witz«, sagte Ng. »Du siehst aus wie aufgewärmte Scheiße.«
    Sie wischte sich mit der Hand den Schaum vom Mund. »Ich bin eben erst aufgewacht, du Arschloch.«
    »Verzeihung.« Das klang so, als sei der Akt des Aufwachens eine physische Schwäche von vorgestern, die Ng längst abgelegt hatte. Ähnlich wie ein Blinddarm. Vielleicht stimmte das ja auch: Khouri hatte den Mann im Kasten noch nie genau gesehen. Die Hermetiker gehörten zu den sonderbarsten Gruppierungen, die in den Jahren nach der Seuche entstanden waren. Einerseits wollten sie nicht auf Implantate verzichten, auch wenn sie womöglich von der Seuche verdorben waren, andererseits waren sie überzeugt, dass selbst die vergleichsweise saubere Welt des Baldachins von Erregern nicht völlig frei war. Also verließen sie ihre Sänften nur innerhalb einer hermetisch abgedichteten Umgebung und konnten sich lediglich in einigen wenigen Orbitalkarussellen frei bewegen.
    Wieder krächzte die Stimme: »Entschuldige, aber wenn ich mich nicht irre, haben wir heute Morgen einen Auftrag zu erledigen. Erinnerst du dich an diesen Taraschi, hinter dem wir seit zwei Monaten her sind? Kommt dir der Name irgendwie bekannt vor? Es wäre nicht ganz unwichtig, denn schließlich bist du diejenige, die ihn von seinem Elend erlösen soll.«
    »Geh von meinem Nacken runter, Kiste.«
    »Selbst wenn ich mich dort niederlassen wollte, liebe Khouri, gäbe das anatomische Probleme. Aber im Ernst, wir haben einen Ort und einen Zeitpunkt für den Abschuss festgelegt, einen geschätzten Todeszeitpunkt. Hast du alle deine Sinne beisammen?«
    Khouri schenkte sich einen letzten Schluck Kaffee ein, den Rest ließ sie auf dem Herd stehen. Sie würde ihn trinken, wenn sie zurückkam. Kaffee war ihr einziges Laster, seit ihrer Dienstzeit als Soldat auf Sky’s Edge war sie ihm verfallen. Wichtig war, gerade so viel zu trinken, dass man hellwach war, aber sich nicht so aufzuputschen, dass man keine Waffe halten konnte, ohne zu zittern.
    »Ich glaube, ich habe den Blutanteil in meinem Koffeinkreislauf auf ein erträgliches Niveau reduziert, wenn du das meinst.«
    »Dann können wir uns über die letzten Dinge unterhalten, jedenfalls so weit es Taraschi betrifft.«
    Ng feuerte eine Salve von Anweisungen für die Schlussphase des Abschusses ab. Das meiste stand bereits im Plan, manches konnte sie sich aus ihren Erfahrungen aus früheren Aufträgen auch selbst zusammenreimen. Taraschi war ihr fünftes Mordopfer in Folge, so dass sie allmählich auch die größeren Zusammenhänge sah. Es war ein Spiel mit eigenen Regeln, auch wenn das nicht auf den ersten Blick erkennbar sein mochte, und diese Regeln kehrten mit leichten Abwandlungen bei der Planung jedes neuen Abschusses wieder. Inzwischen waren sogar die Medien auf sie aufmerksam geworden, ihr Name wurde häufiger genannt, und Kiste war offenbar schon dabei, ihr für die nächsten Aufträge besonders pikante und renommierte Ziele zuzuschanzen. Sie war auf dem besten Weg, in die Gruppe der hundert fähigsten Meuchelmörder des Planeten aufgenommen zu werden; eine wahrhaft erlesene Gesellschaft.
    »Alles klar«, sagte sie. »Unter dem Denkmal, Einkaufszentrum achte Etage, Westflügel, in einer Stunde. Ein Kinderspiel.«
    »Hast du nicht etwas vergessen?«
    »Richtig. Wo ist die Mordwaffe, Kiste?«
    Ngs Schatten nickte hinter dem Fenster. »Wo die Zahnfee sie hingelegt hat, meine Liebe.«
    Damit wendete er seinen Palankin und verließ die Wohnung. Nur ein schwacher Geruch nach Schmieröl blieb zurück. Khouri runzelte die Stirn, dann schob sie langsam die Hand unter das Kissen auf ihrem Bett. Kiste hatte Recht, da war etwas. Als sie sich schlafen legte, hatte noch nichts unter dem Kissen gelegen, aber das konnte sie inzwischen kaum noch erschüttern. Die Firma wandelte gern auf geheimnisvollen Pfaden.
    Bald war sie so weit.
    Sie versteckte die Mordwaffe unter ihrem Mantel und rief sich eine Seilbahn vom Dach. Die Gondel entdeckte die Waffe und die Implantate in ihrem Kopf sofort und hätte ihr die Beförderung verweigert, wenn sie nicht den Omega-Point-Ausweis unter dem Nagel ihres rechten Zeigefingers vorgezeigt hätte, eine kleine holografische Zielscheibe, die durch das Keratin flimmerte. »Zum Denkmal für die Achtzig«, befahl Khouri.
    Sylveste stieg von der Leiter und durchquerte die Grube mit den Stufen, bis er den Lichtkreis um die Spitze des

Weitere Kostenlose Bücher