Unendlichkeit
kannst.«
»Wie kommst du bloß auf die Idee?«
»Vielleicht hat es etwas mit Nagorny zu tun.« Khouri hielt inne. Ihr war eingefallen, dass die Privatverbindungen möglicherweise gar nicht so privat waren, andererseits wollte sie nichts sagen, was nicht jedem Lauscher und erst recht Volyova ohnehin längst bekannt gewesen wäre. »Ich weiß nicht genau, was ihm zugestoßen ist, ich weiß nur, dass ihr eng befreundet wart.«
»Befreundet ist nicht das richtige Wort, Khouri.«
»Dann eben ein Liebespaar. Ich wollte das nicht sagen, um dich nicht zu kränken.«
»Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, ob ich gekränkt bin, Mädchen. Dafür ist es zu spät.«
Volyovas Stimme unterbrach sie. »Alle drei zur Wand hin abstoßen.«
Gehorsam schalteten sie den Antrieb ihrer Anzüge etwas höher und sprangen von der Platte am Zylinderende. Seit sie den Raum betreten hatten, waren sie im freien Fall, doch als sie nun mit zunehmender Geschwindigkeit zur Wand/Boden hinab sanken, verstärkte sich das Gefühl der Schwere. Die Veränderung war nur gering und wurde vom Luftgel abgefedert, lieferte aber immerhin so viele kleine Hinweise, dass sie ein Gefühl für oben und unten entwickeln konnten.
»Ich kann verstehen, warum du mich ablehnst«, sagte Khouri.
»Und ob du das kannst.«
»Ich habe seinen Platz eingenommen. Bin in seine Rolle geschlüpft. Nach allem, was mit ihm passiert ist, musstest du plötzlich auch mich noch ertragen.« Khouri bemühte sich, möglichst sachlich zu sprechen, als nähme sie das alles nicht persönlich. »Wenn ich in deinen Schuhen steckte, würde ich vermutlich ebenso empfinden, da bin ich ganz sicher. Aber deshalb ist es noch lange nicht richtig. Ich bin nicht dein Feind, Sudjic.«
»Mach dir keine Illusionen.«
»Worüber?«
»Dass du auch nur zu einem Zehntel verstehst, worum es hier geht.« Sudjics Anzug schwebte jetzt dicht neben Khouri: der glatte weiße Panzer hob sich grell von der beschädigten Wand ab. Khouri hatte Bilder von geisterhaft weißen Walen gesehen, die in den Meeren der Erde lebten – oder gelebt hatten. Diese Belugas, wie sie hießen, kamen ihr jetzt in den Sinn. »Hör zu«, sagte Sudjic. »Hältst du mich wirklich für so einfältig, dass ich dich nur deshalb hasse, weil du Boris’ Stelle eingenommen hast? Beleidige mich nicht, Khouri.«
»Das hatte ich bestimmt nicht vor.«
»Wenn ich dich hasse, Khouri, dann habe ich auch einen triftigen Grund dafür. Ich hasse dich, weil du ihr gehörst.« Den letzten Satz zischte sie wie eine gereizte Schlange. »Volyova. Du bist ihr Spielzeug. Ich hasse sie, und deshalb hasse ich natürlich auch alles, was ihr gehört. Besonders jeden, den sie schätzt. Und wenn ich eine Möglichkeit sähe, eins von ihren Spielsachen kaputt zu machen – glaubst du, ich würde nur einen Moment zögern?«
»Ich gehöre niemandem«, sagte Khouri. »Auch Volyova nicht.« Sie verabscheute sich selbst dafür, dass sie so energisch protestierte, und diesen Abscheu übertrug sie auf Sudjic, die sie in die Defensive gedrängt hatte. »Aber das geht dich gar nichts an. Weißt du was, Sudjic?«
»Nein, aber ich brenne vor Neugier.«
»Soviel ich gehört habe, war Boris nicht gerade der geistig gesündeste Mensch, den man sich vorstellen kann. Nicht Volyova hat ihn in den Wahnsinn getrieben, sie hat vielmehr versucht, seinen Wahn in konstruktive Bahnen zu lenken.« Ihr Anzug bremste sanft ab und sie landete mit den Füßen voran auf der verbeulten Wand. »Das hat nicht hingehauen. Wie schrecklich! Vielleicht habt ihr beiden ja gut zusammengepasst.«
»Mag schon sein.«
»Wie bitte?«
»Was du eben gesagt hast, Khouri, begeistert mich nicht unbedingt. Und wenn wir zwei allein wären und nicht in diesen Anzügen steckten, könnte ich dir ganz schnell zeigen, wie leicht es ist, dir das Genick zu brechen. Wer weiß, vielleicht bietet sich ja noch eine Gelegenheit. Aber eins muss ich zugeben. Du lässt dir nichts gefallen. Die meisten von ihren Püppchen geben sich sofort geschlagen; wenn sie nicht schon vorher auf kleiner Flamme gebraten wurden.«
»Willst du damit sagen, du hättest mich falsch eingeschätzt? Nimm es mir bitte nicht übel, wenn sich meine Dankbarkeit in Grenzen hält.«
»Ich will nur sagen, dass du ihr vielleicht nicht in dem Maße gehörst, wie sie glaubt.« Sudjic lachte. »Das ist kein Kompliment, Mädchen – nur eine Beobachtung. Wenn sie es merkt, könnte es dir schlecht bekommen. Und es heißt nicht, dass ich dich von
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