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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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meiner schwarzen Liste gestrichen hätte.«
    Khouri hätte gern etwas darauf erwidert, aber sie kam nicht dazu, denn Volyova meldete sich wieder auf der allgemeinen Frequenz. Sie stand hoch über den dreien, fast in der Mitte des Raums, und wandte sich an alle. »Diese Übung ist nicht strukturiert«, sagte sie. »Jedenfalls brauchen Sie die Struktur nicht zu kennen. Sie müssen das Szenarium lediglich überleben. Das ist alles. Die Übung beginnt in zehn Sekunden. So lange sie läuft, bin ich für Fragen nicht erreichbar.«
    Khouri war nicht allzu sehr beunruhigt. Auf Sky’s Edge hatte sie oft unstrukturierte Übungen absolviert, und im Leitstand waren noch mehr dazugekommen. Unstrukturiert hieß nur, dass der tiefere Sinn des Szenariums verborgen war, oder dass es sich – im wahrsten Sinne des Wortes – um eine Desorientierungsübung handelte, die das Chaos nach einer gründlich schiefgegangenen Operation simulierte.
    Sie fingen mit Aufwärmübungen an. Volyova sah von oben zu. Aus bisher unsichtbaren Klappen in den Wänden kamen verschiedene Drohnenziele. Sie waren, wenigstens zunächst, nicht sonderlich schwer zu treffen. Anfangs besaßen die Anzüge noch so viel Autonomie, dass sie die Drohnen entdeckten und anvisierten, bevor der Träger sie überhaupt bemerkte, so dass der Mensch nur die Genehmigung zum Abschuss zu geben brauchte. Aber bald wurde es schwieriger. Die Ziele waren nicht mehr passiv, sondern schossen zurück – normalerweise wahllos, aber mit ständig steigender Feuerkraft, so dass selbst krasse Fehlschüsse eine Bedrohung darstellten. Auch wurden die Ziele kleiner und schneller und brachen in immer kürzeren Abständen aus der Wand hervor. Und die Anzüge zeigten – im gleichen Maße, wie die Gefahr durch feindliche Angriffe wuchs – zunehmend Funktionsausfälle. In der sechsten oder siebenten Runde war ihre Autonomie großenteils abgebaut, und die Sensornetze, mit denen sie sich umgaben, lösten sich auf, so dass die Träger zunehmend selbst auf visuelle Reize reagieren mussten. Doch Khouri ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Die Übung mochte schwierig sein, aber sie hatte sich oft genug durch ähnliche Szenarien gekämpft. Man durfte nicht vergessen, wie viele Funktionen noch blieben: immerhin verfügte man noch über die Waffen, die Energieversorgung und die Flugfähigkeit.
    Während der ersten Übungen gab es keine Verständigung zwischen den drei Teilnehmern; sie waren vollauf damit beschäftigt, ihre Reaktionsfähigkeit aufzubauen. Irgendwann war es, als würden sie zum zweiten Mal aufgezogen; sie erreichten einen Zustand der Stabilität, der sie über die scheinbaren Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit hinaus trug. Sie versetzten sich sozusagen in Trance. Dafür gab es gewisse Tricks, um die Konzentration zu steigern, gewisse Mantras, die man ständig wiederholte, bis man den Übergang geschafft hatte. Es war nicht so, als brauchte man nur den Wunsch zu haben, und schon war man dort; schon eher wie eine steile Felswand, die man erklimmen musste, um an ein hoch gelegenes Sims zu kommen. Aber wenn man nicht aufgab – wenn man es immer wieder versuchte –, wurden die Bewegungen allmählich fließender, und das Sims erschien nicht mehr ganz so hoch und unzugänglich wie zuvor. Einfach und ohne geistige Anstrengung war es freilich nie zu erreichen.
    Auf dem Weg in diesen Zustand glaubte Khouri einmal, die Mademoiselle gesehen zu haben.
    Es war nicht einmal ein kurzer Blick, nur eine Bewegung im Augenwinkel, der Eindruck, da sei für einen Moment noch ein Körper im Raum, dessen Umrisse sie an die Mademoiselle erinnerten. Aber das Bild verschwand so schnell, wie es gekommen war.
    Ob sie es tatsächlich gewesen sein konnte?
    Seit dem Zwischenfall im Leitstand hatte Khouri die Mademoiselle nicht mehr gehört oder gesehen. Die letzte Botschaft kam, nachdem Khouri Volyova geholfen hatte, das Weltraumgeschütz zu zerstören, und sie klang ziemlich pikiert. Die Mademoiselle erklärte, Khouri sei zu lange im Leitstand geblieben, nun habe Sonnendieb Einlass gefunden. Tatsächlich – als Khouri den Waffenraum verlassen wollte, war etwas auf sie zugerast wie ein riesiger Schatten. Doch als der Schatten sie umfing, hatte sie nichts gespürt. Als habe sich ein Loch geöffnet und sie unversehrt durchgelassen. Aber vermutlich war es nicht wirklich so gewesen, und die Wahrheit war sehr viel unerfreulicher. Khouri setzte sich nur ungern mit der Möglichkeit auseinander, der Schatten könnte

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