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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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ausgewählt, und im Falle eines Angriffs werden wir sicherstellen, dass niemand überlebt. Ist das klar? Keine Überlebenden. Sollten wir nach weiteren vierundzwanzig Stunden noch immer nichts von Ihrem schwer zu fassenden Dr. Sylveste gehört haben, werden wir uns ein größeres Ziel vornehmen. Vierundzwanzig Stunden danach zerstören wir Cuvier.« An dieser Stelle zeigte Volyova abermals ein kurzes Lächeln. »Auch wenn Sie dort selbst schon recht ordentliche Arbeit leisten.«
    Hier endete die Botschaft, nur um gleich darauf mit Volyovas barscher Begrüßung von vorne zu beginnen. Sylveste hörte sie sich noch zwei Mal vollständig an. Niemand wagte, ihn in seiner Konzentration zu stören.
    »Das kann nicht sein«, sagte Sluka endlich. »Das würden sie nicht tun.«
    »Es ist barbarisch«, fügte Pascale hinzu und erntete ein zustimmendes Nicken von Sluka. »Auch wenn sie noch so sehr hinter dir her sind – so etwas können sie nicht ernst meinen. Wer würde schon eine ganze Siedlung zerstören?«
    »Da irrst du dich«, sagte Sylveste. »Es wäre nicht das erste Mal. Ich zweifle nicht daran, dass sie auch diesmal nicht zögern werden.«
    Volyova war sich nie wirklich sicher gewesen, dass Sylveste am Leben war – andererseits hatte sie die Möglichkeit, er könne etwa nicht verfügbar sein, bisher immer verdrängt. Die Folgen wären zu unerfreulich gewesen. Es spielte keine Rolle, dass die Initiative mehr von Sajaki ausgegangen war als von ihr selbst. Wenn die Suche vergeblich war, würde er sie ebenso streng bestrafen, als hätte sie sich die ganze Sache allein ausgedacht; als wäre es Volyova gewesen, die sie alle auf diese deprimierende Welt gelockt hatte.
    Sie hatte eigentlich nicht erwartet, dass sich schon in den ersten Stunden etwas bewegte. Das wäre zu optimistisch gewesen und hätte vorausgesetzt, dass Sylvestes Gefangenenwärter wach waren und ihre Warnung sofort mitbekamen. Realistisch betrachtet mochte es einen halben Tag dauern, bis die Nachricht durch die Befehlshierarchie an die richtige Stelle gelangte, und noch länger, bis man sich über ihre Echtheit vergewissert hatte. Doch als Stunde um Stunde verstrich und der Tag sich dem Ende zuneigte, konnte sie sich der Einsicht nicht mehr verschließen, dass sie ihre Drohung würde wahr machen müssen.
    Natürlich hatten die Kolonisten nicht völliges Stillschweigen gewahrt. Zehn Stunden zuvor hatte sich eine anonyme Gruppe gemeldet, die behauptete, Sylvestes sterbliche Überreste abliefern zu wollen. Sie hatten sie auf einer Mesa deponiert und sich dann in Höhlen zurückgezogen, die für die Schiffssensoren nicht einsehbar waren. Volyova schickte eine Drohne hinunter, um das Material zu untersuchen, doch es war den Gewebeproben, die seit Sylvestes letztem Besuch auf dem Schiff aufbewahrt wurden, nur ähnlich, aber nicht damit identisch. Es war verlockend, die Kolonisten für den versuchten Betrug zu bestrafen, aber nach längerem Überlegen entschied sie sich dagegen: sie hatten nur aus Angst gehandelt, sie hatten außer ihrem Leben – und dem ihrer Landsleute – nichts dabei zu gewinnen, und sie wollte eventuelle andere Gruppen nicht so weit einschüchtern, dass sie nicht mehr vorzutreten wagten. So hatte sie sich auch zurückgehalten, als sich zwei Personen unabhängig voneinander als Sylveste ausgaben, denn es war offensichtlich, dass die Betreffenden nicht wirklich logen, sondern sich tatsächlich für den Gesuchten hielten.
    Aber jetzt war die Zeit für weitere Täuschungsmanöver abgelaufen.
    »Ich bin sehr überrascht«, sagte sie. »Ich war überzeugt, dass sie ihn innerhalb der Frist ausliefern würden. Aber offenbar wird der eine Geschäftspartner vom anderen schwer unterschätzt.«
    »Sie können jetzt keinen Rückzieher machen«, mahnte Hegazi.
    »Natürlich nicht«, sagte Volyova. Es klang so verwundert, als sei ihr der Gedanke an Gnade noch gar nicht gekommen.
    »Nein, Sie müssen nachgeben«, sagte Khouri. »Sie können das nicht durchziehen.«
    Sie hatte an diesem Tag noch kaum etwas gesagt. Vielleicht fiel es ihr schwer, damit zurechtzukommen, dass sie für ein Monster arbeitete, dass sich ihre bisher so faire Vorgesetzte unversehens in ein tyrannisches Ungeheuer verwandelt hatte. Volyova hatte sogar Verständnis dafür. Wenn sie ihr Gewissen erforschte, entdeckte sie tatsächlich monströse Züge, auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach.
    »Sobald eine Drohung einmal ausgesprochen ist«, sagte Volyova, »liegt es im

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