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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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kurz eine Lücke auf, dann waren hoch aufragende Canyon- und Mesa-Wände zu erkennen, aber meistens war der Staub vollkommen gleichförmig. »Ich sehe nichts«, sagte sie.
    »Ist es so besser?«
    Tatsächlich. Der Sturm hatte sich plötzlich aufgelöst. Wo der Horizont nicht von Felswänden verstellt wurde, konnte sie nach allen Seiten kilometerweit sehen. Man flog wie an einem hellen, klaren Tag, nur präsentierte sich die ganze Szene in verschiedenen fahlen Grüntönen. »Eine Montage«, erklärte der Anzug. »Zusammengestellt aus Infrarotwerten, interpolierten Sonarimpulsen und gravimetrischen Daten.«
    »Sehr schön, aber werde bloß nicht gleich größenwahnsinnig. Wenn mich Maschinen ärgern, habe ich die hässliche Angewohnheit, sie zu beschimpfen, und wenn sie noch so hoch entwickelt sind.«
    »Warnung registriert«, sagte der Anzug und hielt den Mund.
    Khouri rief eine Overlaykarte auf, um sich einen größeren Überblick zu verschaffen. Der Anzug wusste genau, was er tat – er steuerte die Koordinaten an, von denen sich Sylveste gemeldet hatte –, aber sie hielt es für ein Gebot der Professionalität, sich aktiv für das Geschehen zu interessieren. Seit Volyova mit Sylveste gesprochen hatte, waren dreieinhalb Stunden vergangen, in dieser Zeit hätte er sich – vorausgesetzt, er war zu Fuß unterwegs – nicht allzu weit vom vereinbarten Treffpunkt entfernen können. Selbst wenn er sich jetzt aus irgendwelchen Gründen absetzen wollte, könnten ihn die Anzugsensoren mühelos lokalisieren, es sei denn, er hätte eine tiefe Höhle gefunden und sich darin verschanzt. Und selbst dann würden ihn die integrierten Detektorsysteme mit Hilfe der thermalen und biochemischen Spuren finden, die er auf dem Weg dorthin unweigerlich hinterlassen hätte.
    »Hört zu.« Zum ersten Mal seit dem Eintritt in die Atmosphäre meldete sich Volyova über Funk. »Wir sind in zwei Minuten am Treffpunkt. Ich habe soeben ein Signal aus dem Orbit erhalten. Triumvir Sajaki wurde von seinem Anzug gefunden und aufgenommen. Er ist jetzt auf dem Weg zu uns, aber da sein Anzug nicht mehr so schnell fliegen kann, braucht er noch zehn Minuten.«
    »Was will er denn bei uns?«, fragte Khouri. »Warum fliegt er nicht gleich aufs Schiff zurück? Denkt er, wir schaffen das nicht, ohne dass er uns über die Schulter schaut?«
    »Du machst wohl Witze?«, fragte Sudjic. »Sajaki hat seit Jahren – seit Jahrzehnten – auf diesen Moment gewartet. Er will ihn um nichts in der Welt verpassen.«
    »Sylveste wird aber doch keinen Widerstand leisten?«
    »Dazu müsste er sich schon unglaublich stark fühlen«, sagte Volyova. »Aber man kann nie wissen. Ich hatte im Gegensatz zu euch beiden schon mit dem Dreckskerl zu tun.«
    Khouris Anzug glitt in eine Konfiguration, die der auf dem Schiff sehr ähnlich war. Die Flügelmembran war jetzt ganz verschwunden, die bisher flach anliegenden Stummelflügel wurden wieder zu ordentlich abgesetzten und mit Gelenken versehenen Armen. An den Enden hatten sie sich zu fäustlingsähnlichen Greifklauen gespalten, die sich aber für feinere Arbeiten jederzeit zu voll entwickelten Händen umgestalten konnten. Khouri kippte nach hinten, bis sie nahezu senkrecht stand, ohne jedoch die Vorwärtsbewegung aufzugeben. Der Anzug hielt die Höhe jetzt allein mit den Triebwerken. Der Staub störte ihn nicht im Geringsten.
    »Noch eine Minute«, sagte Volyova. »Höhe sechshundert Fuß. Sylveste müsste jeden Moment visuell erfasst werden. Und vergesst nicht, wir suchen auch nach seiner Frau; die beiden sind sicher nicht weit voneinander entfernt.«
    Khouri hatte das fahlgrüne Falschfarbenbild satt und schaltete auf Normalsicht zurück. Die anderen Anzüge waren kaum zu erkennen. Von den Canyonwänden und von größeren Felsformationen oder Spalten waren sie jetzt weit entfernt. Das Gelände war nach allen Seiten auf Tausende von Metern hin flach, nur von vereinzelten Felsblöcken oder Rinnen unterbrochen. Doch selbst wenn sich im Sturm eine Lücke auftat, wenn das Chaos für einen Moment zur Ruhe kam, sah man nicht weiter als zehn bis zwanzig Meter, und über dem Boden wirbelte der Staub unermüdlich im Kreis herum. Im Innern des Anzugs war es dagegen kühl und vollkommen still. Dadurch erschien die Situation in einer Weise irreal, die gefährlich werden konnte. Der Anzug konnte auf Wunsch auch Außengeräusche übertragen, aber daraus hätte sie auch nicht mehr entnehmen können, als dass ringsum ein höllischer Sturm

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