Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
was mit seinen Augen geschehen war. Auch wenn sie es bereits gewusst hatten, der Anblick von Calvins Werk war ein Schock, der nicht zu unterschätzen war. Sylvestes Augen waren keine elegante Weiterentwicklung der Originale, sondern brutalistische Ersatzorgane, die nur annähernd die Funktion des menschlichen Sehwerkzeugs erfüllten. Sie waren nicht sehr viel besser als ein Holzbein… in alten medizinischen Lehrbüchern fand man fortschrittlichere Beispiele. »Sie wussten natürlich, dass ich das Augenlicht verloren hatte?«, fragte er und musterte einen nach dem anderen mit seinem starren, leeren Blick. »Auf Resurgam ist das allgemein bekannt… man findet es kaum noch der Rede wert.«
    »Was für eine Auflösung erreichen Sie mit diesen Dingern?«, fragte Hegazi. Sein Interesse schien aufrichtig. »Ich weiß, sie sind nicht ganz auf dem neuesten Stand, aber ich wette, Sie haben vollen EM-Empfang von Infrarot bis UV, richtig? Vielleicht sogar Akustikabbildung? Wie ist es mit einer Zoomfunktion?«
    Sylveste sah den Chimären lange und durchdringend an. Dann antwortete er: »Eines sollten Sie wissen, Triumvir. Ich kann mit Mühe meine Frau erkennen, wenn das Licht günstig ist und sie nicht allzu weit von mir entfernt steht.«
    »So gut…« Hegazi sah ihn immer noch fasziniert an.
    Sie wurden tiefer ins Schiffsinnere geführt. Beim letzten Mal hatte man Sylveste geradewegs auf die Krankenstation gebracht. Damals war der Captain noch halbwegs mobil gewesen und hatte wenigstens kurze Strecken gehen können. Hier dagegen war Sylveste noch nie gewesen. Das musste allerdings nicht unbedingt heißen, dass die Krankenstation sehr weit entfernt war. Das Schiff war so groß und so verwinkelt wie eine kleine Stadt, und obwohl er damals fast einen ganzen Monat hier verbracht hatte, fand er sich nur schwer zurecht. Aber er spürte, dass er sich auf ganz neuem Terrain befand, dass er Bereiche – Sajaki und die Besatzung sprachen von Zonen – durchquerte, die man ihm noch nie gezeigt hatte. Wenn ihn sein Instinkt nicht trog, dann trug ihn der Fahrstuhl weg vom schlanken Bug des Schiffes, nach unten, wo der konische Rumpf seine größte Breite erreichte.
    »Kleinere technische Mängel Ihrer Augen sind weiter kein Problem«, sagte Sajaki. »Die lassen sich leicht beheben.«
    »Ohne eine funktionierende Calvin-Version? Das glaube ich nicht.«
    »Dann reißen wir Ihnen diese Augen heraus und ersetzen sie durch bessere.«
    »Das würde ich nicht tun. Außerdem… hätten Sie Calvin dann immer noch nicht, was würde es Ihnen also nützen?«
    Sajaki zischte etwas, und der Fahrstuhl kam langsam zum Stehen. »Sie glauben mir also nicht, dass wir eine Sicherheitskopie besitzen? Nun, Sie haben natürlich Recht. Unsere Kopie hatte einige merkwürdige Fehler. Als wir etwas damit anfangen wollten, war sie längst unbrauchbar geworden.«
    »Typisch Software.«
    »Ja… vielleicht bringe ich Sie doch noch um.« Er zog mit einer fließenden Bewegung die Waffe so langsam aus dem Halfter, dass Sylveste genug Zeit hatte, die Bronzeschlange zu bewundern, die sich um den Lauf wand. Nach welchem Prinzip die Waffe funktionierte, war nicht erkennbar; es hätte eine Strahlen- oder eine Projektilpistole sein können, aber Sylveste zweifelte nicht daran, dass sie ihn auf diese Entfernung jederzeit töten konnte.
    »Sie haben so lange nach mir gesucht, dass Sie mich jetzt bestimmt nicht erschießen werden.«
    Sajakis Finger spannte sich um den Abzug. »Sie unterschätzen mich, ich neige dazu, meinen Launen nachzugeben, Dan. Ich könnte Sie allein deshalb töten, weil es eine Tat von geradezu kosmischer Sinnlosigkeit wäre.«
    »Dann müssten Sie sich jemand anderen suchen, der Ihren Captain heilt.«
    »Was hätte ich verloren?« Unter dem Schlangenmaul wechselte ein Statuslämpchen von Grün auf Rot. Sajakis Finger wurde weiß.
    »Warten Sie«, sagte Sylveste. »Sie brauchen mich nicht zu töten. Glauben Sie wirklich, ich hätte die einzige Kopie von Cal vernichtet, die noch existiert?«
    Sajaki war sichtlich erleichtert. »Es gibt noch eine?«
    »Ja.« Sylveste nickte seiner Frau zu. »Und sie weiß, wo sie zu finden ist. Nicht wahr, Pascale?«
    Einige Stunden später sagte Cal: »Ich habe schon immer gewusst, dass du kaltschnäuzig und berechnend bist, Sohn, ein Dreckskerl, wie er im Buche steht.«
    Sie waren dem Captain ganz nahe. Sajaki war mit Pascale weggegangen, aber jetzt war sie wieder da – zusammen mit allen anderen Besatzungsmitgliedern, die

Weitere Kostenlose Bücher