Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
heißen Staub angeht?« Volyova deutete ein Achselzucken an. »Durchaus möglich. Zugegeben, Remilliod hat der Kolonie heißen Staub verkauft – den Beweis dafür haben wir gesehen –, aber mit dem Zeug umzugehen ist kein Kinderspiel. Und wenn sie bis nach dem Angriff auf Phoenix gewartet hatten, was ich für wahrscheinlich halte, blieb ihnen nicht viel Zeit, um es ihm in die Augen einzusetzen. Andererseits – kann man nicht einfach davon ausgehen, dass er lügt. Das Risiko wäre zu groß. Und wenn man versucht, den heißen Staub mit einem Fernscan zu orten, riskiert man eine Explosion… Damit steckt Sajaki in einem echten Dilemma. Er kann nicht davon ausgehen, dass Sylveste nicht die Wahrheit sagt. Er muss sich auf sein Wort verlassen, sonst setzt er alles aufs Spiel. Wenn er ihm glaubt, bleibt das Risiko gerade noch berechenbar.«
    »Sie betrachten Sylvestes Ansinnen als berechenbares Risiko?«
    Volyova schnalzte mit der Zunge. Die Forderungen waren wirklich erstaunlich. Sie war in ihrem ganzen Leben einer potenziell fremden Kultur, einer Welt, die potenziell so außerhalb ihrer Erfahrung lag, noch nie so nahe gekommen. Sicher konnte man daraus einiges lernen – Lektionen über Lektionen. Sylveste hätte sich die Drohung eigentlich sparen können…
    »Wie kann er uns nur einen so verlockenden Köder unter die Nase halten?«, fragte sie. »Dieser Neutronenstern fasziniert mich, seit wir in das System eingetreten sind, wussten Sie das? Ich hatte beim Anflug ganz in der Nähe etwas entdeckt – eine schwache Neutrinoquelle. Sie scheint um den Planeten zu kreisen, der seinerseits den Neutronenstern umkreist.«
    »Was könnte die Neutrinos erzeugen?«
    »Vieles – aber Neutrinos dieser Energie? Da fallen mir nur Maschinen ein. Technisch sehr hoch entwickelte Maschinen.«
    »Die von den Amarantin zurückgelassen wurden?«
    »Das wäre doch eine Möglichkeit?« Volyova rang sich ein Lächeln ab. Sie hatte genau den gleichen Gedanken gehabt, aber sie durfte ihre Wünsche nicht so offen aussprechen. »Wenn wir erst dort sind, lässt sich das sicher herausfinden.«
 
    Neutrinos sind fermionische Elementarteilchen, Leptonen. Sie treten je nach den nuklearen Reaktionen bei ihrer Entstehung in drei Formen oder Flavours auf: als Elektronen, Mu- oder Tau-Neutrinos. Aber Neutrinos haben Masse – weil sie sich knapp unter Lichtgeschwindigkeit bewegen – und wechseln im Flug die Flavours. Als die Schiffssensoren die Neutrinos auffingen, traten sie in einer Mischung von drei möglichen Flavour-Zuständen auf, die schwer voneinander zu trennen waren. Aber je mehr sich der Abstand zum Neutronenstern und damit die Zeit verringerte, in der die Neutrinos von ihrem Anfangszustand in andere Zustände oszillieren konnten, desto mehr wurde die Flavour-Mischung von einem Neutrino-Typ beherrscht. Auch das Energiespektrum war leichter zu bestimmen und die zeitabhängigen Schwankungen in der Stärke der Quelle ließen sich sehr viel besser verfolgen und interpretieren. Als sich Schiff und Neutronenstern einander auf ein Fünftel AE – etwa zwanzig Millionen Kilometer – angenähert hatten, konnte Volyova schon sehr viel klarer erkennen, was den stetigen Teilchenstrom verursachte, der vom schwersten Neutrino-Flavour, dem Tau-Neutrino dominiert wurde.
    Es war eine Entdeckung, die sie sehr beunruhigte.
    Aber sie beschloss zu warten, bis sie noch näher kamen, bevor sie dem Rest der Besatzung ihre Befürchtungen mitteilte. Immerhin standen immer noch alle unter Sylvestes Einfluss; und dass sie sein Handeln mit ihren Sorgen entscheidend beeinflussen konnte, war nicht anzunehmen.
 
    Khouri gewöhnte sich allmählich an den Tod.
    Störend an Volyovas Simulationen fand sie unter anderem, dass sie unweigerlich über den Punkt hinausgingen, wo jeder reale Beobachter entweder tot oder zumindest so schwer verletzt gewesen wäre, dass er die folgenden Ereignisse nicht mehr hätte verfolgen und erst recht nicht hätte beeinflussen können. So war es auch diesmal. Eine nicht näher definierte Waffe von beliebig großer Zerstörungskraft war von Cerberus auf das Lichtschiff zugerast und hatte es einfach in Stücke gerissen. Nichts hätte diesen Angriff überlebt, aber Khouris körperloses Bewusstsein blieb hartnäckig an Ort und Stelle und sah den scharfkantigen Trümmern nach, die im rosigen Schein ihrer eigenen ionisierten Eingeweide träge davontrieben. Vermutlich war das Volyovas Art, Salz in die Wunden zu streuen.
    »Noch nie was von Stärkung

Weitere Kostenlose Bücher