Unendlichkeit
zu Staub. Außerdem brauchte man eine Technik, die unserer heutigen in etwa vergleichbar ist, um die Stadt unter dem Obelisken zu vergraben. Wenn die Amarantin dazu fähig waren, spricht absolut nichts mehr dagegen, dass sie auch bis an die Grenzen ihres Sonnensystems fliegen konnten – vielleicht sogar in den interstellaren Raum.«
»Sie glauben doch nicht etwa, die Amarantin hätten andere Sonnensysteme erreicht?«
»Ich schließe es jedenfalls nicht aus.«
Sajaki lächelte. »Und wo sind sie dann? Ich kann mir vorstellen, dass eine technisch hochentwickelte Zivilisation spurlos verschwindet, aber nicht, wenn sie sich über viele Welten ausgebreitet hatte. Dann hätten sie doch etwas zurückgelassen.«
»Vielleicht haben sie das ja getan.«
»Die Welt um den Neutronenstern? Sie glauben, dort finden Sie die Antwort auf Ihre Fragen?«
»Wenn ich das so genau wüsste, bräuchte ich nicht hinzufliegen. Ich will es herausfinden, das ist alles, und deshalb bitte ich Sie, mich hinzubringen.« Sylveste stützte das Kinn auf die Fingerspitzen. »Sie fliegen mich möglichst nahe an den Planeten heran und sorgen gleichzeitig für meinen Schutz. Notfalls müssen Sie mir eben gestatten, die schmutzigeren Tricks, die dieses Schiff bietet, zum Einsatz zu bringen.«
Hegazi war fasziniert und entsetzt zugleich. »Sie glauben, wir könnten dort auf etwas stoßen – wofür wir die Waffen brauchen?«
»Vorsicht kann nicht schaden, oder?«
Sajaki wandte sich an den zweiten Triumvir. Für einen Moment schienen die beiden allein auf der Brücke zu sein. Sie verständigten sich zunächst so schnell wie zwei Maschinen, nur mit einem flackernden Blick. Dann erst sprachen sie, als wollten sie auch Sylveste zugänglich machen, was sie eben erörtert hatten. »Was er über den Fremdkörper in seinen Augen sagte – ist das möglich? Ich meine, wir wissen, welche technischen Möglichkeiten Resurgam hat. Könnte man vor Ablauf unseres Ultimatums ein solches Implantat eingesetzt haben?«
Hegazi ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ich glaube, wir sollten die Möglichkeit ernsthaft in Erwägung ziehen, Yuuji-san.«
Volyova – oder der größte Teil von ihr – war im Aufwachraum der Krankenstation zu sich gekommen. Man brauchte ihr nicht zu sagen, dass sie über viele Stunden bewusstlos gewesen war. Wenn sie in sich hineinhorchte, hatte sie das Gefühl, jahrhundertelang in einem tiefen Traum befangen gewesen zu sein, und daran erkannte sie, wie schwer ihre Verletzungen und wie langwierig ihre Genesung gewesen sein mussten. Manchmal hatte man zwar schon nach einem kurzen Nickerchen den Eindruck, ein ganzes Leben geträumt zu haben, aber ihre Träume waren so lang und so vollgepackt mit Ereignissen wie eine breit ausgewalzte Saga aus prätechnischer Zeit. Es war, als hätte sie im Fieberwahn viele verstaubte, aber unsterbliche Geschichtenbände durchlebt.
Dennoch war ihr nur wenig in Erinnerung geblieben. Zuerst war sie auf diesem Schiff gewesen und dann war – irgendwo anders, aber wo, war ihr noch nicht klar – etwas Schreckliches geschehen. Nur der Lärm, die blinde Wut waren ihr noch gegenwärtig – aber was hatten sie zu bedeuten? Und wo war sie gewesen?
Ganz schwach – zunächst hielt sie es noch für einen Teil ihres Traums – stieg ein Bild von Resurgam vor ihr auf. Und dann kehrten die Ereignisse langsam zurück, nicht wie eine Flutwelle oder wie ein Erdrutsch, sondern wie eine träge schmatzende Schlamm-Masse: die Eingeweide der Vergangenheit. Sie hatten nicht einmal so viel Anstand, in chronologischer Reihenfolge aufzutreten. Doch als sie die einzelnen Episoden zu ihrer Zufriedenheit geordnet hatte, hörte sie erstaunt, wie jemand aus dem Orbit mit ihrer Stimme der wartenden Welt da unten ein Ultimatum nach dem anderen verkündete. Dann kam das Warten im Sturm und schließlich diese schreckliche Hitze und danach eine ebenso schreckliche Kälte im Magen. Sie sah, wie Sudjic sich über sie beugte und Schmerzen austeilte.
Die Tür ging auf; Ana Khouri trat ein – allein.
»Sie sind wach«, sagte sie. »Das dachte ich mir. Ich hatte das System angewiesen, mich zu benachrichtigen, wenn Ihre Neuralaktivität jene Stufe erreichte, die mit bewusstem Denken gleichgesetzt wird. Schön, Sie wieder unter den Lebenden zu haben, Ilia. Leute mit gesundem Verstand sind derzeit Mangelware.«
»Wie lange…?« Volyova brach ab – die Worte klangen abgehackt und undeutlich – und fing noch einmal an. »Wie lange bin ich schon hier?
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