Unendlichkeit
der Moral gehört?«, hatte Khouri gefragt.
»Gehört schon«, sagte Volyova. »Aber ich halte nicht viel davon. Möchten Sie lieber glücklich und tot sein oder Angst haben und leben?«
»Aber ich sterbe doch trotzdem. Warum sind Sie eigentlich so überzeugt, dass wir dort auf Schwierigkeiten stoßen werden?«
»Ich rechne nur mit dem Schlimmsten«, sagte Volyova düster.
Am nächsten Tag fühlte sich Volyova kräftig genug, um mit Sylveste und seiner Frau zu sprechen. Als die beiden die Krankenstation betraten, saß sie aufrecht im Bett, hatte ein Notepad auf dem Schoß und ging eine Unmenge von Angriffsszenarien durch, die sie später an Khouri ausprobieren wollte. Sie schloss das Programm sofort und rief etwas weniger Bedrohliches auf, obwohl ihre Simulationen in einem Geheimcode gehalten waren, mit dem Sylveste wohl ohnehin nichts hätte anfangen können, empfand sie die Kritzeleien doch selbst oft wie eine fremde Sprache, die sie nur ungenügend beherrschte.
»Sie sind geheilt«, sagte Sylveste und setzte sich mit Pascale an ihr Bett. »Das ist gut.«
»Weil Ihnen mein Wohlergehen am Herzen liegt oder weil Sie meine Fachkenntnisse brauchen?«
»Natürlich Letzteres. Wir beide konnten uns noch nie ausstehen, Ilia, wozu sich also etwas vorspielen?«
»Ich denke gar nicht daran.« Sie stellte das Notepad beiseite. »Ich habe mit Khouri über Sie gesprochen. Ich finde – genau wie sie – wir sollten uns an den Grundsatz ›Im Zweifel für den Angeklagten‹ halten. Sie können also zunächst davon ausgehen, dass ich davon ausgehe, alles, was Sie uns erzählt haben«, sie legte den Finger an die Stirn, »sei die reine Wahrheit. Wobei ich mir natürlich das Recht vorbehalte, meine Meinung jederzeit zu ändern.«
»Diese Einstellung sollten wir uns am besten alle zu eigen machen«, schlug Sylveste vor. »Im Übrigen versichere ich Ihnen unter Wissenschaftlern, dass ich tatsächlich die Wahrheit sage. Nicht nur, was meine Augen angeht.«
»Auch über den Planeten.«
»Cerberus, ja. Ich nehme an, man hat Sie informiert.«
»Sie glauben dort etwas zu finden, das mit der Ausrottung der Amarantin in Zusammenhang stehen könnte. Ja, so viel ist mir bekannt.«
»Sie wissen über die Amarantin Bescheid?«
»Ich kenne die orthodoxe Theorie.« Sie nahm das Notepad wieder an sich und rief eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten auf, die von Cuvier überspielt worden waren. »Natürlich stammt nur wenig aus Ihrer Feder. Aber ich habe auch die Biografie. Und darin ist ein Großteil Ihrer Spekulationen enthalten.«
»Dargestellt aus dem Blickwinkel einer Skeptikerin«, bemerkte Sylveste und sah dabei Pascale an – Volyova erkannte es daran, dass er ihr das Gesicht zuwandte, seine Augen verrieten nicht, wohin er den Blick richtete.
»Selbstverständlich. Dennoch lässt sich im Wesentlichen erkennen, welche Ansicht Sie vertreten. Und ich stimme Ihnen zu, dass Cerberus/Hades von gewissem Interesse ist… innerhalb dieses Paradigmas.«
Sylveste nickte. Er war sichtlich beeindruckt, dass sie die korrekte Nomenklatur für das Doppelsystem aus Planet und Neutronenstern behalten hatte. »Irgendetwas hat die Amarantin vor ihrem Untergang dorthin gezogen. Ich möchte wissen, was es war.«
»Und es beunruhigt Sie nicht, dass dieses Etwas in irgendeinem Zusammenhang mit dem Ereignis stehen könnte?«
»O doch, das beunruhigt mich sehr.«
Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet.
»Aber es würde mich noch mehr beunruhigen, wenn wir es vollkommen ignorierten. Immerhin könnte die Gefahr auch für uns bestehen. Und wenn wir etwas darüber erfahren, haben wir wenigstens eine Chance, einem ähnlichen Schicksal zu entgehen.«
Volyova legte nachdenklich den Finger an die Unterlippe. »Die Amarantin könnten ebenso gedacht haben.«
»Dann ist es umso besser, die Situation aus einer Position der Stärke anzugehen.« Wieder sah Sylveste seine Frau an. »Ich will ganz ehrlich sein, Ihr Kommen war ein Geschenk der Vorsehung. Cuvier hätte von hier draußen unmöglich eine Expedition finanzieren können, selbst wenn es mir gelungen wäre, die Kolonie von ihrer Wichtigkeit zu überzeugen. Und auf keinen Fall hätten wir etwas aufgeboten, das mit dem Angriffspotenzial dieses Schiffes zu vergleichen wäre.«
»Die kleine Demonstration unserer militärischen Stärke war also gar keine so gute Idee?«
»Mag sein – aber ohne sie wäre ich womöglich niemals freigelassen worden.«
Sie seufzte. »Das ist leider genau das, was
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