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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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wahr«, wehrte Sajaki ab. Es klang belustigt. »Sie unterschätzen meine Neugier. Ich glaube, ich hätte schon deshalb so lange mitgespielt, weil ich sehen wollte, wie viel von Ihrer Geschichte stimmte.«
    Das wollte Sylveste zunächst nicht glauben, aber jeder Widerspruch war vermutlich zwecklos. »Woran zweifeln Sie denn noch, nachdem Sie Alicias Bericht gesehen haben?«
    »Aber der hätte sich doch ohne weiteres fälschen lassen. Die Schäden am Schiff könnten auch von der eigenen Besatzung stammen. Ich werde erst vollends überzeugt sein, wenn irgendetwas aus Cerberus herausspringt und uns angreift.«
    »Das können Sie haben, fürchte ich«, sagte Sylveste. »Warten Sie nur noch vier oder fünf Tage. Es sei denn, Cerberus wäre wirklich tot.«
    Danach sprachen sie kein Wort mehr, bis sie am Ziel waren.
    Sylveste hatte den Captain natürlich bereits gesehen – sogar bei diesem Aufenthalt. Aber das Ausmaß der Transformationen schockierte ihn von neuem; jedes Mal hatte er wieder das Gefühl, erstmals damit konfrontiert zu werden. Tatsächlich war dies sein erster Besuch auf dem Captainsdeck, seit Calvin mit den fortgeschrittenen medizinischen Einrichtungen, die das Schiff bot, seine Augen restauriert hatte, aber das war es nicht allein. Dazu kam, dass sich der Captain seit dem letzten Mal weiter verändert hatte; es war nicht zu übersehen – er breitete sich immer schneller aus, als müsse er, während das Schiff auf Cerberus zu raste, den Übergang in eine Seinsform vollziehen, die sich niemand vorstellen konnte. Vielleicht, dachte Sylveste, war er im letzten Moment gekommen – immer vorausgesetzt, dass dem Captain überhaupt noch irgendwie geholfen werden konnte.
    Der Gedanke, die Beschleunigung könnte irgendeine und womöglich gar symbolische Bedeutung haben, war verlockend. Immerhin war der Mann seit Jahrzehnten krank – falls man seinen Zustand als Krankheit bezeichnen konnte – und doch hatte er sich ausgerechnet diesen Moment ausgesucht, um in eine neue Phase seines Leidens einzutreten. Aber diese Sicht war falsch. Man musste den Zeitrahmen des Captains berücksichtigen; der relativistische Flug hatte die Jahrzehnte zu einer Hand voll von Jahren komprimiert. Dieser jüngste Krankheitsschub war weniger unwahrscheinlich, als es den Anschein hatte, und er war in keiner Weise bedrohlich.
    »Wie soll die Sache eigentlich ablaufen?«, fragte Sajaki. »Wollen Sie genauso vorgehen wie beim letzten Mal?«
    »Fragen Sie Calvin – er trägt die Verantwortung.«
    Sajaki nickte bedächtig, als sei ihm sein Einwand eben erst eingefallen. »Sie sollten aber etwas mitzureden haben, Dan. Schließlich wird er durch Sie arbeiten.«
    »Gerade deshalb brauchen Sie auf mich keine Rücksicht zu nehmen – ich werde gar nicht anwesend sein.«
    »Ich glaube Ihnen kein Wort. Sie werden da sein, Dan – und nach allem, was ich vom letzten Mal noch weiß, werden Sie auch alles mitbekommen. Ohne Kontrolle, mag sein, aber durchaus beteiligt. Und Sie werden diesen Zustand verabscheuen – auch das haben wir noch gut in Erinnerung.«
    »Sie verfügen ja plötzlich über ganz erstaunliche Fachkenntnisse.«
    »Warum hätten Sie sich von uns fern gehalten, wenn nicht aus Abscheu vor dieser Prozedur?«
    »Das war keine Absicht. Es gab gar keine Fluchtmöglichkeit für mich.«
    »Ich rede nicht nur von der Zeit, als Sie im Gefängnis saßen. Ich rede von Ihrer Expedition in dieses System. Warum hätten Sie die unternehmen sollen, wenn nicht, um vor uns wegzulaufen?«
    »Ich könnte durchaus andere Gründe gehabt haben.«
    Sylveste befürchtete schon, Sajaki könnte auf dem Thema noch weiter herumreiten, aber der Triumvir ließ die Gelegenheit vorübergehen und hakte den Fragenkomplex im Geiste ab. Vielleicht langweilte ihn das Thema. Sajaki war ein Mensch, der in der Gegenwart existierte, dachte Sylveste, und sich viel mit der Zukunft beschäftigte. Die Vergangenheit reizte ihn wenig. Sajaki interessierte sich nicht für Motive oder alternative Entwicklungen, vermutlich weil dies Fragen waren, die sich auf einer bestimmten Ebene seinem Zugriff entzogen.
    Sylveste hatte gehört, dass Sajaki – genau wie er selbst vor seiner Reise zu den Schleierwebern – die Musterschieber aufgesucht hatte. Für einen Besuch bei den Schiebern gab es nur einen Grund: man wollte sich einer Neuraltransformation unterziehen, um seinen Geist für neue Bewusstseinsformen zu öffnen, die für die menschliche Wissenschaft nicht erreichbar waren. Es hieß –

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