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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Stück nur von einem Schiffstyp stammen konnte: von einem Kontaktschiff aus dem Besitz des Sylveste-Instituts für Schleierweber-Studien.
    Aus gewissen Feinheiten im Isotopenanteil ließ sich erkennen, von welchem Schiff es genau stammte: von dem Kontaktschiff nämlich, das Sylveste an die Grenze von Lascailles Schleier gebracht hatte. Damit war Volyova zunächst zufrieden. Der Kreis hatte sich geschlossen: dies war die Bestätigung dafür, dass zwischen Khouris Mademoiselle und Sylveste tatsächlich ein Zusammenhang bestand. Aber das wusste Khouri ja bereits… und das bedeutete, dass der Splitter noch eine weitergehende Bedeutung hatte. Worin sie bestand, war Volyova natürlich sofort klar. Aber im ersten Moment war die Erkenntnis so ungeheuerlich, dass sie davor zurückschreckte. Das war doch wohl nicht möglich, oder? Sie konnte die Ereignisse vor Lascailles Schleier nicht überlebt haben. Andererseits hatte Manoukhian Khouri gegenüber behauptet, er habe seine Brotherrin im All gefunden. Und es war durchaus möglich, dass sie sich als Hermetikerin tarnte, weil sie grässlichere Verstümmelungen hatte, als selbst die Seuche sie anzurichten pflegte…
    »Zeig mir Carine Lefevre«, sagte Volyova, nachdem sie den Namen der Frau abgerufen hatte, die angeblich vor dem Schleier ums Leben gekommen war.
    Wie ein riesiges Götzenbild starrte das Gesicht auf sie herab. Eine junge Frau, die offenbar – unterhalb der Schultern war nicht viel zu erkennen – nach der Mode der Belle Epoque von Yellowstone gekleidet war, des glanzvollen Goldenen Zeitalters vor der Schmelzseuche. Das Gesicht war Volyova bekannt – nicht so weit, dass ihr die Luft wegblieb, aber immerhin hatte sie es schon gesehen. Es tauchte in Dutzenden von historischen Dokumentationen auf, und jedes dieser Werke unterstellte, dass sie längst tot war; ermordet von Aliens, deren Kräfte jedes menschliche Vorstellungsvermögen überstiegen.
    Natürlich. Jetzt war auch klar, was die Verformungsmuster verursacht hatte. Die Gravitationswirbel vor Lascailles Schleier hatten die Materie zusammengepresst, bis das Blut herausspritzte.
    Alle Welt glaubte, dass auch Carine Lefevre so gestorben sei.
    »Svinoi«, sagte Triumvir Ilia Volyova, denn jetzt gab es keinen Zweifel mehr.
    Schon als Kind hatte Khouri bemerkt, dass etwas Ungewöhnliches passierte, wenn sie Dinge anfasste, die zu heiß waren, den Lauf eines Gewehrs zum Beispiel, das eben erst die Patronenhülse ausgeworfen hatte. Dann durchzuckte sie eine Art Vorahnung, so kurz, dass man kaum von Schmerz sprechen konnte; eher eine Warnung vor dem wirklichen Schmerz. Auf diesen Vorläufer folgte ein Moment, in dem sie gar nichts empfand, und in diesem Moment riss sie, ganz gleich, was sie angefasst hatte, die Hand zurück. Aber da war es schon zu spät; der richtige Schmerz war bereits unterwegs, und sie konnte nichts mehr tun, als sich darauf einzustellen, wie eine Haushälterin, der man kurzfristig einen Gast angekündigt hatte. Natürlich war der Schmerz nie allzu schlimm, und da sie die Hand schon weggezogen hatte, gab es meist nicht einmal eine Narbe. Aber sie machte sich jedes Mal ihre Gedanken. Wenn die Vorahnung schon genügte, damit sie die Hand wegzog – und das war immer so –, welchen Sinn hatte dann die Schmerzwelle, die hinterher kam? Warum musste sie überhaupt kommen, wenn sie doch die Botschaft bereits erhalten und ihre Hand in Sicherheit gebracht hatte? Auch als sie später feststellte, dass es für die Verzögerung zwischen den beiden Warnungen handfeste physiologische Gründe gab, empfand sie den Schmerz noch als niederträchtig.
    Jetzt ging es ihr genauso. Sie saß mit Volyova im Spinnenraum und hatte eben erfahren, wem vermutlich das Gesicht der Mademoiselle gehörte. Carine Lefevre, hatte Volyova gesagt. Und Khouri hatte wieder diese Vorahnung verspürt, diesen kurzen Schock, der sie wie ein Echo aus der Zukunft auf den eigentlichen Schlag vorbereitete. Ein sehr schwaches Echo, dann – einen Moment lang – gar nichts.
    Und schließlich die volle Wucht.
    »Wie ist das möglich?«, fragte Khouri hinterher, als der Schock – nicht abgeklungen, aber zu einem normalen Bestandteil ihres emotionalen Dauergeräuschs geworden war. »Es kann nicht sein. Das ergibt keinen Sinn.«
    »Ich denke, es ergibt eher zu viel Sinn«, widersprach Volyova. »Und es passt viel zu gut zu den Fakten, als dass wir es ignorieren könnten.«
    »Aber jedermann weiß doch, dass sie tot ist! Das hat sich nicht nur auf

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