Unendlichkeit
hängte sie sich wieder über die Schulter. Volyova sah den nächsten Schritt offensichtlich voraus und steuerte ihren Sessel auf Khouri zu. Als sie auf knapp fünf Meter herangekommen war, warf ihr Khouri einen der leichten Nadelprojektoren zu, die sie aus der Waffenkammer mitgenommen hatte. »Und das ist für Pascale«, sagte sie und ließ den Strahler folgen. Volyova fing beide Waffen geschickt auf und reichte die kleinere an Pascale weiter.
Inzwischen hatte sich Khouri einen gewissen Überblick verschafft und festgestellt, dass das Blut – der Regen hatte inzwischen aufgehört – von Sajaki stammte. Er sah elend aus und hielt sich den Arm, als sei er gebrochen oder angeschossen worden.
»Ilia«, sagte Khouri, »ich bin enttäuscht. Du hast schon ohne mich angefangen.«
»Unter dem Druck der Ereignisse«, sagte Volyova.
Khouri versuchte, auf dem Display zu erkennen, was außerhalb des Schiffes geschehen war. »Haben die Geschütze das Feuer eröffnet?«
»Nein; ich habe den Befehl nicht gegeben.«
»Und jetzt kann sie es nicht mehr«, sagte Sylveste. »Hegazi hat soeben ihr Armband zerstört.«
»Heißt das, er steht auf unserer Seite?«
»Nein«, sagte Volyova. »Er kann nur kein Blut sehen. Schon gar nicht, wenn es von Sajaki stammt.«
»Er braucht Hilfe«, sagte Pascale. »Um Himmels willen, du kannst ihn doch nicht einfach verbluten lassen.«
»Nur keine Sorge«, sagte Volyova. »Er ist ein Chimäre wie Hegazi – man sieht es nur nicht so deutlich. Die Nanomaschinen in seinem Blut leiten bereits mit Höchstgeschwindigkeit die Reparatur der Zellen ein. Selbst wenn ihm das Armband die Hand abgeschnitten hätte, wäre ihm bald eine neue gewachsen. Nicht wahr, Sajaki?«
Er sah sie an. Er wirkte so erschöpft, als ginge schon ein neuer Fingernagel über seine Kräfte, von einer Hand ganz zu schweigen. Aber er nickte.
»Trotzdem sollte mich jemand auf die Krankenstation bringen – die Nanomaschinen können nicht zaubern; sie haben ihre Grenzen. Und ich kann Ihnen versichern, dass meine Schmerzrezeptoren quicklebendig sind.«
»Er hat Recht«, sagte Hegazi. »Sie sollten die Fähigkeiten der Nanos nicht überschätzen. Wollen Sie ihn umbringen oder nicht? Entscheiden Sie sich. Ich bringe ihn auf die Krankenstation.«
»Um dabei einen kurzen Abstecher in die Waffenkammer zu machen?« Volyova schüttelte den Kopf. »Nein, vielen herzlichen Dank.«
»Dann lassen Sie mich das übernehmen«, sagte Sylveste. »Mir können Sie so weit trauen, nicht wahr?«
»Ich traue Ihnen nur so weit, wie ich sie pissen könnte, Svinoi«, gab Volyova zurück. »Andererseits, auch wenn Sie die Waffenkammer fänden, könnten Sie nicht damit umgehen. Und Sajaki ist nicht in der Verfassung, um Ihnen hilfreiche Ratschläge zu geben.«
»Ist das ein Ja?«
»Beeilen Sie sich, Dan.« Volyova hob den Nadler, um ihrem Befehl Nachdruck zu verleihen. Der Finger lag auf dem Abzug. »Wenn Sie in zehn Minuten nicht zurück sind, schicke ich Ihnen Khouri hinterher.«
Eine Minute später waren die beiden Männer fort. Sajaki war kaum fähig, ohne Hilfe zu gehen. Sylveste musste ihn stützen. Khouri war nicht sicher, ob er die Krankenstation erreichen würde, bevor er das Bewusstsein verlor, aber das kümmerte sie nicht weiter.
»Übrigens«, sagte sie, »brauchst du dir nicht allzu große Sorgen zu machen, dass sich jemand in der Waffenkammer bedient. Als ich hatte, was ich wollte, habe ich die verdammte Anlage zusammengeschossen.«
Volyova überlegte, dann nickte sie anerkennend.
»Das nenne ich taktische Überlegung, Khouri.«
»Hatte nichts mit Taktik zu tun. Nur mit der Persönlichkeit, die dort das große Wort führte. Ich wollte das miese Stück einfach brennen sehen.«
»Heißt das«, fragte Pascale, »wir haben gesiegt? Ich meine, haben wir erreicht, was wir uns vorgenommen hatten?«
»Ich denke schon«, sagte Khouri. »Sajaki ist aus dem Spiel, unser Freund Hegazi will sich bestimmt keinen Ärger einhandeln, und es sieht nicht danach aus, als würde dein Mann sein Versprechen halten und uns alle in die Luft jagen, wenn er nicht kriegt, was er will.«
»Das enttäuscht mich sehr«, bemerkte Hegazi.
»Genau wie ich sagte.« Pascale nickte. »Er hat nur geblufft. Ist die Sache damit erledigt? Wir können die Geschütze doch immer noch zurückrufen?« Sie sah Volyova an, und die nickte sofort.
»Natürlich.« Sie griff in ihre Jackentasche, holte ein neues Armband heraus und legte es sich ganz selbstverständlich an.
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