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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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also keine Möglichkeit mehr gab, das Schlimmste zu verhindern, keimte klammheimlich so etwas wie Vorfreude in ihr auf. Verlockend war nicht nur, was die Aktion an neuen Erkenntnissen bringen mochte, sie wollte auch wissen, wie gut ihr Kind die Probe bestand. Wie immer es ausging – wie schrecklich die Folgen auch sein mochten –, dies würde zwangsläufig das faszinierendste Schauspiel werden, das sie jemals erlebt hatte. Und vielleicht das schrecklichste.
    Jetzt konnte sie nur noch warten.
 
    Die Zeit verging weder langsam noch schnell, denn Vorfreude und Angst hielten sich die Waage. Tausend Kilometer über Cerberus leitete der Brückenkopf die letzte Bremsphase ein. Die beiden Synthetiker-Triebwerke flammten auf wie zwei Miniatursonnen und verliehen der Landschaft darunter eine messerscharfe Klarheit. Krater und Schluchten zeichneten sich in ihrem gnadenlos grellen Schein so überdeutlich ab, dass die Kruste für einen Moment so künstlich wirkte, wie sie tatsächlich war; als hätten Cerberus’ Schöpfer sich zu sehr bemüht, die Verwitterungsspuren uralter Kometeneinschläge zu imitieren. Auf ihrem Armband sah sie jetzt Bilder der nach unten gerichteten Kameras, die den Brückenkopf umrahmten.
    Alle hundert Meter war ein Kameraring um den vier Kilometer langen Konus gelegt, so dass sich immer einige Kameras überund unterhalb der Kruste befänden, wie tief er auch eindrang. Nun konnte sie auch durch die Kruste sehen; die Weltraumgeschütze hatten eine Wunde geschlagen, die noch nicht verheilt war.
    Sylveste hatte nicht gelogen.
    Darunter verbarg sich ein Schlangennest von riesigen organischen Gebilden. Die Hitze des Einschlags hatte sich verteilt, der schwarze Rauch, der immer noch aus dem Loch quoll, stammte vermutlich eher von brennenden Maschinen als von verkohlter Krustensubstanz. Die schlangenartigen Röhren bewegten sich nicht. Ihre segmentierte, silbrig glänzende Außenhaut war von schwarzen Flecken und hundert Meter breiten Schrammen gezeichnet, aus denen kleinere Schlangen herausgeschleudert worden waren wie explodierende Eingeweide.
    Volyova hatte Cerberus verletzt.
    Sie wusste nicht, ob die Wunde tödlich war oder nur ein Kratzer, der in wenigen Tagen heilen würde, jedenfalls hatte sie Schaden angerichtet, und die Erkenntnis ließ sie frösteln. Sie hatte ein fremdes Wesen verwundet…
    Und dieses Wesen schlug nun zurück.
    Als der Schlag erfolgte, zuckte sie zusammen. Sie hatte zwar damit gerechnet, aber nur mit dem Verstand. Der Brückenkopf war noch zwei Kilometer von der Oberfläche entfernt – die Hälfte seiner eigenen Länge.
    Es ging fast zu schnell. Innerhalb eines Lidschlags veränderte sich die Kruste in erschreckender Weise. Um die kilometergroße Wunde waren mehrere Reihen von konzentrischen grauen Erhebungen entstanden. Sie sahen aus wie steinerne Brandblasen. Bevor Volyova sie noch richtig zur Kenntnis nehmen konnte, explodierten sie auch schon und entließen etwas wie blitzende Sporen oder Silberflitter, die wie Schwärme von Glühwürmchen auf den Brückenkopf zustrebten. Ob es Antimateriesplitter, winzige Sprengköpfe, Virenkapseln oder kleine Geschützbatterien waren, konnte sie nicht erkennen. Sie wusste nur, dass sie ihr Geschöpf angreifen wollten.
    »Jetzt«, flüsterte sie. »Jetzt!«
    Sie wurde nicht enttäuscht. Vielleicht wäre es aus irgendeiner Sicht besser gewesen, wenn der Brückenkopf in diesem Moment zerstört worden wäre, aber dann hätte sie nicht so atemlos zusehen können, wie er sich mit allem zur Wehr setzte, was sie ihm gegeben hatte. Die Waffen in seiner kreisförmigen Randeinfassung reagierten prompt. Sie spürten die Fünkchen auf und konnten die meisten mit Laser- und Boserstrahlen abschießen, bevor sie den Hyperdiamantpanzer erreichten.
    Der Brückenkopf beschleunigte und legte die letzten zweitausend Meter in zwanzig Sekunden zurück. Um die Wunde in der Kruste bildeten sich immer neue Blasen, die immer neue Flitterschwärme entließen. Der Brückenkopf parierte alle Angriffe. Wo einige der rosa glitzernden Sporen blitzend in den Rumpf eingeschlagen hatten, waren Krater entstanden, aber das konnte die Funktion der Waffe nicht beeinträchtigen. Ihre nadelfeine Spitze bohrte sich genau in der Mitte der Öffnung in die Kruste.
    Sekunden später berührte die Waffe mit dem breiten Ende die gezackten Wundränder. Der Untergrund bekam Risse, die sich nach allen Seiten ausbreiteten. Immer noch schossen neue Blasen aus dem Boden, aber jetzt in größerem

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