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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Verdauungsstrategie übergegangen. Es versuchte zwar noch immer, den Gegner in seine Atome zu zerlegen, aber jetzt ging es systematisch vor. Wie ein Kind, das ein komplexes Spielzeug auseinander nimmt, anstatt es in Stücke zu schlagen, legte es jede Komponente sorgfältig in einem eigenen Fach ab, um sie irgendwann bei einem bisher noch nicht einmal angedachten Projekt wiederverwenden zu können. Dahinter steckte durchaus eine gewisse Logik. Die Weltraumgeschütze hatten einige Kubikkilometer der Welt vernichtet und Volyovas Angriffswaffe bestand vermutlich aus Materie mit ganz ähnlichen Elementar- und Isotopenverhältnissen wie die zerstörten Substanzen. Der Feind konnte potenziell als riesiges Reservoir für Reparaturmaterial genutzt werden und es Cerberus ermöglichen, seine eigenen, begrenzten Ressourcen zu schonen. Vielleicht hatte sich der Planet auch früher schon solche Materiedepots gesucht, um daraus die unvermeidlichen Schäden und Abriebverluste zu beheben, die über die Jahrzehntausende durch Meteoriteneinschläge und das ständige Bombardement mit kosmischer Strahlung entstanden waren. Vielleicht hatte er Sylvestes erste Sonde gar nicht aus dem übersteigerten Bedürfnis heraus geschluckt, das Geheimnis seiner Existenz zu bewahren, sondern vielmehr aus Hunger; vielleicht hatte er wie eine Venusfliegenfalle nur blind auf den Reiz reagiert, ohne irgendwie an die Zukunft zu denken.
    Aber Volyovas Waffe war nicht so angelegt, dass sie sich widerstandslos verdauen ließ.
    »Sieh nur, Cerberus lernt von uns«, sagte sie und rief die Baupläne von mehreren Dutzend verschiedener Komponenten des molekularen Arsenals auf, das die Welt zurzeit gegen ihre Waffe einsetzte. Das Display sah aus wie eine Seite aus einem Lehrbuch für Entomologie: eine Ansammlung von Metallinsekten mit unterschiedlicher Spezialisierung. Einige waren Disassembler: die vorderste Front des amarantinischen Verteidigungssystems. Sie griffen die Oberfläche des Brückenkopfes physisch an, lösten mit ihren Manipulatoren Atome und Moleküle heraus und zerrissen die chemischen Bindungen. Außerdem lieferten sie sich Nahkämpfe mit Volyovas Fronttruppen. Was sie an Materie ergattern konnten, gaben sie an fettere Insekten hinter den vordersten Linien weiter. Diese Einheiten ordneten und sortierten wie unermüdliche Beamte die Materieklumpen, die sie empfingen. Waren sie von einfacher Struktur, wie etwa ein einzelner, nicht differenzierter Eisen- oder Kohlebrocken, dann wurde er mit einer Recycling-Markierung versehen und an noch fettere Fabrikationsinsekten weitergeleitet, die nach internen Bauvorschriften weitere Insekten herstellten. Waren die Materieklumpen dagegen so organisiert, dass sie feste Strukturen enthielten, dann wurden sie nicht sofort zur Wiederverarbeitung freigegeben, sondern gingen an eine andere Insektenart, die sie zerlegte und auf brauchbare Prinzipien hin untersuchte. Wurden diese Insekten fündig, dann eigneten sie sich die Prinzipien an, schneiderten sie auf ihre Bedürfnisse zurecht und gaben sie an die Fabrikationsinsekten weiter. Auf diese Weise war jede Insektengeneration ein wenig höher entwickelt als ihr Vorgänger. »Sie lernen von uns«, wiederholte Volyova ebenso begeistert wie beunruhigt. »Nehmen unsere Gegenmaßnahmen auseinander und integrieren die darin enthaltene Konstruktionscharakteristiken in die eigene Strategie.«
    »Das klingt ja richtig begeistert.« Khouri aß einen Apfel aus schiffseigener Produktion.
    »Warum auch nicht? Es ist ein elegantes System. Ich kann natürlich ebenfalls daraus lernen, aber das ist nicht das Gleiche. Was da unten passiert, ist ein systematischer, unendlicher Prozess – ohne das kleinste Körnchen Empfindungsfähigkeit.«
    Ihre Bewunderung war aufrichtig.
    »Sehr eindrucksvoll«, versetzte Khouri. »Blinde Replikation – ein Prozess ohne einen Funken Intelligenz, der aber an unzähligen Stellen gleichzeitig passiert, so dass wir schon zahlenmäßig erdrückt werden. So wird es doch kommen? Du wirst hier sitzen und dir das Gehirn zermartern, aber du wirst am Ausgang nichts ändern können. Früher oder später wird dir jeder Trick abgeschaut.«
    »Aber so weit sind wir noch nicht.« Volyova schaute mit schief gelegtem Kopf auf ihre Schemazeichnungen. »Glaubst du, ich wäre so dumm gewesen, ihnen gleich unsere ausgeklügeltsten Gegenmaßnahmen entgegenzuwerfen? So führt man keinen Krieg, Khouri. Man verschwendet auf den Feind niemals mehr Energie – oder Intelligenz

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