Unendlichkeit
daran entlang. Am Ende des Bambusrohrs stand ein Splitter in die Höhe, vielleicht noch von damals, als er Khouri niedergeschlagen hatte. Er drückte ihn mit dem Daumen nieder.
Als er endlich sprach, zeigte er eine eisige Ruhe, die schlimmer war als jeder Wutausbruch.
»Sie schlagen also vor, noch ein weiteres Besatzungsmitglied anzuwerben?«
Aus seinem Munde klang es wie die absurdeste, irrwitzigste Idee, die er jemals gehört hatte.
»Nur als Zwischenlösung«, sagte sie. Sie merkte selbst, dass sie zu schnell sprach, und ärgerte sich, dass Sajaki sie so leicht einschüchtern konnte. »Nur bis alles wieder stabil ist. Danach können wir Khouri einsetzen.«
Sajaki nickte. »Das klingt nicht unvernünftig. Weiß der Himmel, warum uns die Idee nicht früher gekommen ist, vermutlich hatten wir andere Sorgen.« Er legte die Shakuhachi ab, behielt jedoch die Hand in der Nähe des hohlen Schafts. »Aber das ist nicht mehr zu ändern. Wir müssen uns also einen neuen Kandidaten suchen. Das kann ja wohl nicht allzu schwierig sein, oder? Ich meine, bei der Suche nach Khouri haben wir uns nun wirklich nicht überanstrengt. Zugegeben, wir sind zwei Monate von Yellowstone entfernt im interstellaren Raum, und unser nächstes Ziel ist ein praktisch unbekannter Außenposten – trotzdem, einen Bewerber zu finden stellt sicher kein Problem dar. Wahrscheinlich müssen wir sie scharenweise abwehren.«
»Seien Sie doch vernünftig.«
»Wann wäre ich jemals unvernünftig gewesen, Triumvir?«
Eben hatte sie noch Angst gehabt, jetzt war sie wütend. »Sie haben sich verändert, Yuuji-san. Seit…«
»Seit wann?«
»Seit Sie mit dem Captain die Schieber besucht haben. Was ist dort geschehen, Yuuji? Was haben die Aliens mit Ihrem Gehirn angestellt?«
Er sah sie so verwundert an, als habe sie eine durchaus berechtigte Frage gestellt, auf die er selbst noch gar nicht gekommen war. Doch das war eine List, die Volyova zum Verhängnis wurde. Die Shakuhachi kam so schnell, dass sie nur einen braunen Blitz sah. Der Schlag traf sie in die Rippen. Er fiel relativ gnädig aus – Sajaki musste sich im letzten Moment zurückgehalten haben –, aber er schleuderte sie doch ins Gras. Im ersten Moment waren die kalten, nassen Halme, die sie in die Nase kitzelten, stärker als der Schmerz und auch als der Schock darüber, dass Sajaki sie angegriffen hatte.
Sajaki kam gemächlich um den Baumstumpf herum.
»Sie fragen immer zu viel«, sagte er und zog unter seinem Kimono etwas hervor, das aussah wie eine Spritze.
Isthmus von Nekhebet, Resurgam, 2566
Sylveste griff in seine Tasche und tastete nervös nach dem Fläschchen. Er war überzeugt, dass es nicht da war.
Doch dann spürte er es – ein kleines Wunder.
Unten strömten die Würdenträger in die Amarantin-Stadt und näherten sich langsam dem Tempel im Zentrum. Gesprächsfetzen drangen zu ihm herauf, klar verständlich, aber immer zu kurz, so dass er nur ein paar Worte mitbekam. Er befand sich mehrere hundert Meter höher auf einer von den Menschen gebauten Galerie an der schwarzen Mauer, die die ganze Stadt umgab wie eine Eierschale.
Heute war sein Hochzeitstag.
Er hatte den Tempel oft in Simulationen gesehen, ihn aber schon so lange nicht mehr persönlich besucht, dass er vergessen hatte, wie sehr einen seine Größe überwältigen konnte. Das war eine Schwäche von Simulationen, die immer noch nicht beseitigt war: sie mochten noch so präzise sein, der Betrachter vergaß nie, dass sie nicht wirklich waren. Sylveste hatte unter dem Dach des Amarantin-Tempels gestanden und Hunderte von Metern hinaufgeblickt zum Schnittpunkt der verwinkelten Steinbögen, ohne den leisesten Schwindel zu empfinden oder Angst zu haben, das uralte Bauwerk könne genau in dem Moment über ihm zusammenbrechen. Doch jetzt – bei diesem zweiten persönlichen Besuch in der vergrabenen Stadt – fühlte er sich schier erdrückt. Schon die eiförmige Schale war durch ihre Ausmaße unheimlich, aber sie war zumindest als Produkt einer ausgereiften Technik erkennbar – auch wenn die Fluter das nicht wahrhaben wollten. Dagegen mutete die Stadt in ihrem Innern nicht zuletzt wegen der geflügelten Sagengestalt auf der Turmspitze eher wie der Fieberwahn eines überspannten Dichters aus dem fünfzehnten Jahrhundert an. Und das Ganze schien – je länger er es betrachtete – nur den einzigen Zweck zu haben, die Rückkehr der Verbannten zu feiern.
Es ergab keinen Sinn. Aber es lenkte ihn wenigstens von der
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