Unendlichkeit
die darin herumschwammen wie in einem alkoholischen Getränk. In der Mitte schwebte ein dunkles, fasriges Gebilde mit langen Fäden.
Endlich stellte Girardieu das Fläschchen mit leisem Klirren auf die Tischplatte und betrachtete es mit kaum verhohlenem Abscheu.
»Hat es wehgetan?«
»Natürlich nicht. Wir sind schließlich keine Sadisten.« Sylveste lächelte voller Schadenfreude über Girardieus Unbehagen. »Wäre es dir vielleicht lieber, wie würden Kamele austauschen?«
»Steck es wieder ein.«
Sylveste ließ das Fläschchen in seiner Tasche verschwinden. »Wer ist hier nervös, Nils?«
Girardieu goss sich noch einen Schluck Wein ein. »Entschuldige. Die Sicherheitsleute stehen unter Strom. Ich weiß nicht, was sie so verrückt macht, aber es färbt vermutlich auf mich ab.«
»Mir ist nichts aufgefallen.«
»Natürlich nicht.« Girardieu zuckte die Achseln, eine Bewegung wie bei einem Blasebalg, die irgendwo unterhalb des Bauchs begann. »Angeblich ist alles normal, aber nach zwanzig Jahren kenne ich die Leute doch besser, als sie glauben.«
»An deiner Stelle würde ich mir keine Sorgen machen. Deine Polizei ist sehr tüchtig.«
Girardieu schüttelte kurz den Kopf, als habe er in eine saure Zitrone gebissen. »Ich erwarte nicht, dass wir jemals alles ausräumen können, was zwischen uns steht, Dan. Aber du solltest mir nicht von vornherein nur das Schlechteste unterstellen.« Er deutete mit einem Nicken zur offenen Tür hin. »Habe ich dir nicht uneingeschränkten Zutritt zu diesem Ort verschafft?«
Mit dem Erfolg, dass ein Dutzend Fragen gelöst und tausend neue aufgeworfen wurden. »Nils…«, begann Sylveste. »Wie steht es eigentlich um die finanzielle Situation der Kolonie?«
»Wie meinst du das?«
»Ich weiß, dass sich vieles geändert hat, seit Remilliod vorbeigekommen ist. Projekte, die zu meiner Zeit undenkbar gewesen wären… könnte man jetzt angehen, wenn der politische Wille vorhanden wäre.«
»Was für Projekte?«, fragte Girardieu vorsichtig.
Wieder griff Sylveste in seine Jackentasche, doch diesmal holte er nicht das Fläschchen, sondern ein Blatt Papier heraus und breitete es vor Girardieu aus. Es zeigte ein Muster aus vielen Kreisen. »Erkennst du die Zeichnungen? Wir haben sie auf dem Obelisken und überall in der Stadt gefunden. Es sind Karten des Sonnensystems, angefertigt von den Amarantin.«
»Seit ich diese Stadt gesehen habe, fällt es mir seltsamerweise sehr viel leichter, dir zu glauben.«
»Gut, dann hör zu.« Sylveste zeichnete mit dem Finger den größten Kreis nach. »Das ist der Orbit des Neutronensterns Hades.«
»Hades?«
»Der Name wurde bei der ersten Erkundung des Systems vergeben. Hades wird seinerseits von einem Felsbrocken umkreist, der etwa die Größe eines Planetenmondes hat. Den hat man Cerberus genannt.« Nun strich er über eine Gruppe von Schriftzeichen neben dem Neutronenstern und seinem Planeten. »Dieses Doppelsystem hatte für die Amarantin eine besondere Bedeutung. Und ich glaube, dass es in irgendeinem Zusammenhang zum Ereignis steht.«
Girardieu schlug mit theatralischer Geste die Hände vors Gesicht, ließ sie wieder sinken und sah Sylveste an. »Du meinst das wirklich ernst, nicht wahr?«
»So ist es.« Ohne Girardieu aus den Augen zu lassen, faltete er das Blatt ordentlich zusammen und steckte es in die Tasche zurück. »Wir müssen dieses System erforschen, und wir müssen herausfinden, wodurch die Amarantin umkamen. Damit uns nicht das Gleiche passiert.«
Sajaki und Volyova kamen in Khouris Kabine und empfahlen ihr, sich warm anzuziehen. Khouri bemerkte, dass alle beide ungewöhnlich dicke Kleidung trugen – Volyova eine Fliegerjacke mit Reißverschluss, Sajaki ein aus diamantförmigen Flicken mosaikartig zusammengesetztes Thermojackett mit Stehkragen.
»Ich habe die Probe nicht bestanden, wie?«, fragte Khouri. »Und jetzt kommt der Sprung aus der Schleuse. Meine Werte in den Kampfsimulationen sind zu niedrig. Deshalb schmeißen Sie mich raus.«
»Dummes Zeug«, sagte Sajaki. Über dem Pelzkragen waren nur seine Stirn und seine Nase zu sehen. »Wenn wir Sie töten wollten, würde es uns wohl kaum noch kümmern, ob Sie sich erkälten.«
»Außerdem«, sagte Volyova, »ist Ihre Einweisung seit Wochen abgeschlossen. Sie sind eine von uns. Sie jetzt noch zu töten wäre Verrat an uns selbst.« Ihr Mützenschild war so weit heruntergezogen, dass nur Mund und Kinn zu sehen waren. Sie und Sajaki ergänzten sich aufs Schönste.
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