Unendlichkeit
wäre?«
»Die Beta-Simulation.« Sajaki sprach jetzt sehr langsam und seine Stimme war so eisig kalt wie die Luft in der Kälteschlafzelle des Captains. »Obwohl sie offiziell kein eigenes Bewusstsein hatte, war sie doch eine unglaublich präzise Kopie von Calvin. Und dank ihrer relativ einfachen Strukturen war es leichter, ihre Regeln Dans organischer Gehirnmasse aufzuprägen. Viel leichter, als die Prägung mit einer so wenig fassbaren Struktur wie dem Alpha.«
»Ich weiß, dass die Primäraufzeichnung – das Alpha – verschwunden ist«, sagte Khouri. »Es gab keinen Calvin mehr, der die Zügel in der Hand hielt. Und Dan hat sich vermutlich eigenständiger entwickelt, als Calvin lieb sein konnte.«
»Sehr vorsichtig ausgedrückt«, warf Sajaki ein. »Mit den Achtzig begann der Niedergang des Sylveste-Instituts. Dan interessierte sich mehr für das Rätsel der Schleierweber als für cybernetische Unsterblichkeit und konnte sich bald von seinen Fesseln befreien. Das Beta-Sim behielt er, ohne jemals zu begreifen, welche Bedeutung es tatsächlich hatte. Er hielt es in erster Linie für ein Erbstück.« Der Triumvir lächelte. »Wenn er erkannt hätte, dass es im Grunde seinen eigenen Untergang bedeutete, hätte er es sicher zerstört.«
Begreiflich, dachte Khouri. Die Beta-Simulation war wie ein gebannter Dämon, der nur darauf lauerte, in einen neuen Körper einzufahren. Nicht im eigentlichen Sinne bei Bewusstsein, aber dank der subtilen Raffinesse, mit der sie wahre Intelligenz imitierte, doch gefährlich stark.
»Auch Cals Vorsichtsmaßnahme war uns noch nützlich«, sagte Sajaki. »Das Beta enthielt in verschlüsselter Form so viel von Calvins fachlichen Erfahrungen, wie für die Heilung unseres Captains erforderlich waren. Nun mussten wir Dan nur noch dazu bringen, dass er Calvin erlaubte, sich für eine begrenzte Zeit seines Körpers und seines Geistes zu bemächtigen.«
»Aber wenn das so einfach ging, muss Dan doch Verdacht geschöpft haben…«
»Es war nicht einfach«, widersprach Sajaki. »Keineswegs. In den Phasen, in denen Cal die Herrschaft übernahm, wirkte Dan wie ein Besessener. Ein großes Problem war die motorische Kontrolle: wir mussten Dan einen ganzen Cocktail von Neuro-Inhibitoren verabreichen, um seine eigene Persönlichkeit auszuschalten. Wenn Cal dann endlich durchkam, fand er einen Körper vor, der von unseren Drogen halb gelähmt war. Es war, als operiere ein begnadeter Chirurg nicht selbst, sondern erteile einem Betrunkenen Anweisungen. Und nach allem, was man sehen konnte, war die Erfahrung auch für Dan nicht angenehm. Er sagte selbst, es sei ziemlich quälend gewesen.«
»Aber es hat funktioniert.«
»Mit knapper Not. Aber seither sind hundert Jahre vergangen, und jetzt ist der nächste Besuch beim Onkel Doktor fällig.«
»Die Fläschchen«, sagte der Ordinator.
Eine der Kopftuchfrauen aus Pascales Gefolge trat vor und schwenkte ein Fläschchen, das nach Aussehen und Größe identisch war mit dem, das Sylveste aus der Tasche zog. Der einzige Unterschied bestand in der Farbe: die Flüssigkeit in Pascales Fläschchen war rot gefärbt, bei Sylveste war sie gelblich. Auch in ihrem Behältnis schwamm ein schwarzer Materieklumpen. Ordinator Massinger nahm beide Fläschchen, hielt sie kurz hoch und stellte sie dann, gut sichtbar für die Zuschauer, nebeneinander auf den Tisch.
»Die Trauung kann beginnen«, sagte sie. Dann stellte sie die übliche Pflichtfrage, ob jemand anwesend sei, der bioethische Einwände gegen die Verbindung vorzubringen hätte.
Natürlich meldete sich niemand.
Doch in diesem bedeutungsschweren Augenblick, in dem sich die Wege gabelten, bemerkte Sylveste, wie eine verschleierte Frau im Zuschauerraum in ihre Handtasche griff und einen kleinen bernsteinfarbenen Parfumflakon mit Edelsteinverschluss öffnete.
»Daniel Sylveste«, sagte der Ordinator. »Wollen Sie diese Frau nach Resurgam-Gesetz zu ihrem Eheweib nehmen, bis die Ehe nach diesem oder einem anderen Rechtssystem wieder aufgelöst wird?«
»Ja«, sagte Sylveste.
Die gleiche Frage wurde an Pascale gerichtet.
»Ja«, sagte auch Pascale.
»Dann sollt ihr die Bindung vollziehen.«
Ordinator Massinger nahm die Hochzeitswaffe aus der Mahagonischatulle und klappte sie auf. Sie lud das rötliche Fläschchen – das Pascales Begleiterin ihr übergeben hatte – in die Kammer und klappte den Verschluss wieder zu. Eine Status-Entoptik leuchtete auf. Girardieu fasste Sylvestes Unterarm, um ihn zu
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