Unerwartet (German Edition)
als ich ihm das kühle Tuch in den Nacken lege.
„Wenn du meinst, dass du aufstehen kannst, dann komm in die Küche. Ich mache dir Tee.“
„Pfefferminz, bitte“, ruft er mir mit heiserer Stimme hinterher.
Jakob und Paul sind ins Fitnessstudio gefahren, damit ich zuerst mit Ben alleine reden kann. Er sitzt mit seinem Tee am Küchentisch und wagt es nicht, mich anzusehen. Mit verschränkten Armen lehne ich an der Arbeitsplatte, denn ich kann mich gerade nicht mit ihm an einen Tisch setzen.
„Woher hattet ihr den Alkohol?“, frage ich ohne weitere Einleitung.
„Luca hat die Flasche im Vorratskeller bei seinen Eltern gefunden.“
Gefunden? Aber sicher doch.
„Warum wart ihr nicht bei ihm, sondern um diese Uhrzeit noch draußen?“
„Lucas Eltern dachten, dass er hier ist.“
Die Ehrlichkeit weiß ich zu schätzen, es ändert aber nichts an der Wut in meiner Magengrube.
„War Stefan dabei?“
„Nein. Er ist krank.“
Heißt im Umkehrschluss, er wäre dabei gewesen, wenn er gesund gewesen wäre. Aber das kann man ihm ja schlecht zum Vorwurf machen.
„Sieh mich an, Ben. Damit ich sicher sein kann, dass du mir zuhörst.“
Ben schaut auf. Das Weiße in seinen Augen ist blutunterlaufen von der Kotzorgie der letzten Nacht und des Morgens. Seine Unterlippe zittert und ich glaube, er ist kurz davor loszuheulen.
„Zwei Dinge. Ich bin so unglaublich enttäuscht von dir, und wenn das noch einmal vorkommt, dann schwöre ich dir, dass du die erste Tracht Prügel deines Lebens von mir beziehst. Es interessiert mich einen Scheiß, dass du inzwischen größer bist als ich.“
„Ich verstehe.“
Verstohlen wischt er sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Die zweite Sache, Ben. Ich bin froh, dass du mir genug vertraust, um mich in so einer Situation anzurufen“, sage ich etwas sanfter.
„Kati, es tut mir leid. Das kommt nicht mehr vor, ich verspreche es dir.“
Sein Tonfall signalisiert, dass er dieses Gespräch für beendet hält, doch ich habe noch ein paar Worte für ihn.
„Du wirst morgen nach der Schule zu Jakob und Paul in die Praxis gehen und mit den beiden ein Gespräch zu dem Thema führen.“
Ben versucht mich zu unterbrechen, doch ich hebe einen warnenden Zeigefinger, damit er die Klappe hält.
„Da du dein Fahrrad geschrottet hast, aber dummerweise darauf angewiesen bist, wirst du das Geld für ein neues abarbeiten. Mittwoch ist der letzte Schultag vor den Ferien, also wirst du ab Donnerstag jeden Tag vier Stunden im Trudi's aushelfen. Dein Hausarrest läuft, bis wir in den Urlaub fahren. Du kannst zum Fußballtraining, aber danach kommst du auf direktem Wege nach Hause. Kein Internet für die nächsten zwei Wochen und absolut kein Kontakt zu Luca, bis die Schule wieder anfängt.“
„Kati, das kannst du nicht machen.“
Der nörgelnde Ton macht mich nur wütender.
„Nur für den Fall, dass ich mich nicht klar ausgedrückt habe. Du hast dir gestern Abend sämtliche Diskussionsgrundlagen verspielt und bist gerade absolut nicht in der Position, irgendwelche Ansprüche zu stellen. Heute Abend werde ich mit Lucas Eltern telefonieren und sie darüber aufklären, was gelaufen ist, da ich nicht davon ausgehe, dass dein feiner Freund gebeichtet hat. In Zukunft werde ich mich mit den Eltern deiner Kumpels wieder absprechen, da man euch ja offensichtlich nicht trauen kann. Jetzt verschwinde in dein Zimmer. Ich will dich heute nicht mehr sehen.“
Ben stürmt schluchzend aus der Küche und knallt Sekunden später seine Zimmertür hinter sich zu.
Ich hatte gehofft, die sonntägliche Ruhe im Shop würde mich etwas runterfahren, doch stattdessen lasse ich meinen Frust an einem Teigballen für Vollkornbrot aus.
„Man hört dich im ganzen Haus, Katharina.“
Jakob steht im Rahmen der Hintertür und schaut mir bei der Arbeit zu. Wütend knalle ich den Teig auf den Tisch und drehe mich zu ihm um.
„Falls du auf einen schnellen Fick aus bist, dann ist gerade wirklich der falsche Zeitpunkt.“
„Jemand steht immer noch unter Strom“, bemerkt Paul, der gerade aus dem Hausflur kommt und seinen Arm um Jakobs Schultern legt.
„Hat Ben sich schon über seine böse, böse Schwester ausgeheult?“
Ich verschränke meine Arme vor der Brust und schaue die beiden mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
Jakob macht den ersten Schritt nach vorne und schließt mich in die Arme, meine gehässigen Kommentare vollständig ignorierend. Paul folgt ihm und legt seine Arme um uns beide.
„Wir
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