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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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meinst du?«
    Sie lächelte uns zu und ihr schulterlanges Haar tanzte vor ihrem Gesicht. Ohne einen ernsthaften Versuch, die Maschine zu erspähen, antwortete sie schlichtend: »Beide sind ungefähr gleich groß.« Dabei schien sie wie verwandelt. Nach der Landung hatten wir genauso problemlos wie in Teheran die Passkontrolle passiert und der Schlepper, der sich als unser Vater ausgab, hatte uns zu Scholeh geführt. Dann war er verschwunden.
    Scholeh war eine schlanke Frau mit lockiger Kurzhaarfrisur, die uns herzlich umarmt und sich dermaßen glücklich über unsere Ankunft gezeigt hatte, dass ich mich wie beim Besuch einer meiner Tanten fühlte, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Gemeinsam hatten wir uns in Scholehs schwarz-rot lackierte Ente gequetscht, und als der Wagen losgeklappert war, hatte sich Madar das Kopftuch abgebunden, ihr Haar geschüttelt und sogar gelacht. Sie hatte sich über das Auto amüsiert, weil ihr erster eigener Wagen auch eine Ente gewesen war. Ihr fielen Anekdoten ein, wie sie damit durch Teherans Straßen gerast war, und es war wie eine Erlösung. Der Albtraum der letzten Monate schien endlich vorbei zu sein. Ich vergaß all die offenen Fragen, die seit Wochen in mir rumorten. Madars Lachen bedeutete, dass alles gut war.
    Der Wagen fuhr eine Landstraße entlang, vorbei an dunklen Äckern, riesigen Einkaufszentren und Häusern mit seltsam spitzen Dächern.
    »Mein Magen grummelt wie der Motor des Autos. Wann können wir denn endlich was essen?«, fragte Masoud.
    Madar schmunzelte und legte ihre Hand auf Scholehs Unterarm, als wollte sie sich für Masouds Anspielung entschuldigen. »Du hast eine flotte Zunge. Chube, chube! Das gefällt mir«, stellte Scholeh sichtlich belustigt fest. »Wenn wir alles erledigt haben, gehen wir gemeinsam essen. Ich lade euch ein. Ihr seid schließlich meine Lieblingsgäste.«
    »Also, ich könnte locker drei Pizzen verdrücken«, sagte ich und streichelte mir mit der rechten Hand kreisend den Bauch. Dann kamen mir aber Zweifel auf: »Können die Deutschen überhaupt gute Pizzen machen?«
    » Na Baba! «, sagte Scholeh und schob dabei ihre Unterlippe weit vor – ein für Iraner typisches Zeichen der Verneinung. »Aber ich bringe euch zu einem Italiener, der macht Riesenpizzen. Und ich wette, ihr werdet sie nicht schaffen! Mein Sohn Abbas ist in eurem Alter und verschlingt täglich Erwachsenenportionen, aber eine ganze Pizza dort ist selbst für ihn zu viel. Er freut sich bereits auf euch. Wir nehmen ihn nachher mit.«
    Ich atmete tief ein, als könnte ich schon die Pizzen riechen, und stellte mir vor, wie ich genüsslich in ein Riesenstück beißen würde. »Wenn Abbas seine nicht aufisst, dann helfe ich ihm schon«, prahlte ich und wollte gerade anfangen, eine lange Liste zu erstellen, womit meine Pizza belegt sein müsste, da kam der Wagen plötzlich zum Stehen.
    »Wir sind da!«, sagte Scholeh.
    Ich lehnte mich gegen Milad und lugte neugierig nach draußen. Was ich erblickte, versetzte meiner guten Laune einen empfindlichen Dämpfer: Eine Schranke versperrte uns den Weg. Sie wurde auf beiden Seiten von einer hüfthohen Mauer flankiert, auf der ein Metallzaun emporragte und auf der sich wiederum ein dichtes Geflecht aus Stacheldraht wand. Neben der Schranke stand eine Kontrollkabine, in der ein uniformierter Mann saß und uns argwöhnisch beäugte.
    Der Motor heulte noch einmal auf, als Scholeh das Auto abstellte. Eine mulmige Stille erfüllte das Wageninnere. Milad durchbrach sie als Erster und fragte nervös: »Madar, was haben wir hier eigentlich vor?«
    »Wir werden politisches Asyl beantragen«, antwortete sie bestimmt.
    »Was ist das, Asyl?«, schaltete sich nun auch Masoud ein.
    »Asyl bedeutet, dass wir in Deutschland leben dürfen und dass man uns beschützt.«
    Madars ruhiger Tonfall besänftigte mich. Ich schaute wieder aus dem Fenster. Hinter der Schranke lag ein weites Gelände, das mich an iranische Kasernen erinnerte. Pedar hatte sie oft bei seinen Erzählungen über Sarbasi , seinen Militärdienst, erwähnt. Er hatte gesagt, dass Kasernen Orte seien, an denen es keine sauberen Toiletten, dafür aber Offiziere gebe, die einen so lange anbrüllen und triezen würden, bis man alle Lust am Leben verliere.
    Der uniformierte Mann in der Kontrollkabine, in deren Fenster sich unsere schwarz-rote Ente spiegelte, zitierte uns mit ungeduldiger Handbewegung zu sich.
    » Batscheha , steigt aus«, wies uns Madar an.
    »Wartet kurz«,

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