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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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mich nicht aufgehalten hätte: »Mojtaba, leg sie wieder hin! Wenn der Verkäufer das sieht …«
    »Madar, ich möchte auch eine«, verlangte Masoud.
    »Und ich auch«, schloss sich Milad an.
    Ihre Miene hellte sich auf. Das war ein gutes Zeichen. » Basche, basche . Dieses Jahr haben wir noch gar keine Kakis gegessen. Mal schauen, ob sie genauso gut schmecken wie unsere iranischen. Aber fasst sie nicht an! Der Verkäufer kommt bestimmt gleich.«
    Wir warteten und warteten, doch es passierte nichts. »Ein komischer Laden. Wollen die hier nichts verkaufen?«, fragte ich verärgert und war kurz davor, einfach in eine besonders dicke Chormalu zu beißen, auf die ich schon längst ein Auge geworfen hatte. Zum Glück zuckelte im Moment darauf eine Frau im Arbeitskittel heran und rückte einige Äpfel zurecht. Das war unsere Gelegenheit! Madar sprach sie sofort an: » Two kilos, please! « Sie zeigte auf die Chormalu , doch die Verkäuferin schaute uns nur befremdet an und verschwand, ohne ein Wort zu sagen.
    Ich konnte es nicht fassen. Entweder wir hatten etwas falsch gemacht oder die Frau mochte uns schlichtweg nicht leiden. Ich war noch unentschieden, doch dann kam die Antwort vorbeigehumpelt: Eine alte bucklige Frau, gestützt auf ihren Krückstock, stoppte bei den Äpfeln und füllte seelenruhig die Früchte in ihren Einkaufsbeutel. Ich wunderte mich, dass sie nicht das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel, aber noch mehr verwunderte es mich, dass sie sich ohne die Erlaubnis der Verkäuferin bediente.
    Madar jedoch schmunzelte, weil sie unseren Fehler begriffen hatte: »Wir können die Chormalu nehmen und später am Ausgang bezahlen.«
    Der süße Genuss, den mir die reifen Leckerbissen auf dem Rückweg bereiteten, fand jedoch ein jähes Ende, als wir wieder in der Wohnung ankamen. Sie war doch nicht Teil eines Albtraums, sondern erschreckend real. Zu allem Übel wurde ich in der Putzkolonne auch noch als Badverantwortlicher eingeteilt. Das grün-blau geflieste winzige Badezimmer stand kurz davor, in sich zusammenzufallen. Aus den Fugen lösten sich bereits größere Mörtelstücke, während ich an anderen Stellen den blanken Putz sehen konnte, weil Fliesenecken abgebrochen waren. Aber am schlimmsten war die Vorstellung, das über Jahre verdreckte Klo berühren zu müssen.
    Es war ungerecht! Madar hatte vor, die Küche zu schrubben, und wir drei sollten uns den Rest teilen. Natürlich wollte keiner das Badezimmer übernehmen, und so fiel die Entscheidung auf die Art, auf die wir drei immer schwierige Fälle lösten: per Los. Milad zog den Kürzeren und schleppte sich schon mit hängendem Kopf Richtung Bad, da schaltete sich Madar ein und übertrug mir die Aufgabe, weil ich der Älteste war. Mein Altersvorsprung brachte mir eben nicht nur Vorteile. Seit ich mich erinnern konnte, redeten mir die Erwachsenen – vor allem Mamani und Babai – ein, ich müsste auf meine Brüder aufpassen, Verantwortung übernehmen und ein Vorbild sein. Ich war nur vier Minuten früher als Masoud auf die Welt gekommen und dennoch sagten sie immer wieder: »Du bist der älteste Sohn der Familie!« Jedes Mal, wenn dieser Satz fiel, glaubte ich einen gewissen Neid bei meinen Brüdern zu spüren. Die Sehnsucht, selbst als das Oberhaupt von uns dreien angesehen zu werden und damit dieselbe Anerkennung zu erhalten. Ich jedenfalls konnte mich nicht entscheiden, ob die Anerkennung die Pflichten aufwog.
    Mit einem Schwamm und einer Flasche Putzmittel ausgerüstet, machte ich mich an die Arbeit. Ich fing mit den Fliesen an; um das Klo würde ich mich zum Schluss kümmern. Ich hatte gerade die ersten Fliesen gescheuert, da klopfte es an der hölzernen Wohnungstür. Wer konnte das bloß sein? Als Madar aufmachte, erhaschte mein Blick an ihrem Rücken vorbei einen hin und her schwankenden Turm aus aufeinandergestapelten Tellern, Schüsseln und Tassen. Dahinter grüßte uns eine freundliche Stimme. Die Frau, der sie gehörte, war ziemlich korpulent und erinnerte mich mit ihrem kugelrunden Bauch an Mamani – auch wenn sie etwas jünger aussah. Schweiß sprenkelte bereits ihre Stirn und sie machte Anstalten, den Turm auf der Küchenzeile abzustellen.
    Madar bat sie rein, sie entledigte sich ihrer Last und keuchte: » I’m Christa. This is for you! « Die Frau erholte sich langsam, während sie uns musterte. Ihre Augen huschten von mir zu Masoud, dann zu Milad und schließlich wieder zu mir. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass wir ohne

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