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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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Madar und Pedar hatten sich gestritten. Gut, das war nicht das erste Mal. Auch im Iran hatte ich manchmal gehört, wie sie sich in der Küche anschrieen, wenn wir Kinder schon im Bett lagen. Doch da hatten sie wenigstens immer versucht, es uns gegenüber zu verheimlichen. War einer von uns aufgestanden, um nachzusehen, hatten sie gesagt, es sei nichts, und wir sollten wieder schlafen gehen. Aber heute war es anders und das machte mir Angst.
    » Batscheha , bitte verzeiht mir, was vorhin passiert ist. Ich weiß, dass ihr euch auf diesen Tag gefreut hattet.«
    »Du doch auch, Madar! Oder nicht?«, fragte Mojtaba fast flehend.
    »Ich freue mich für euch, dass euer Vater hier ist.«
    »Wieso musstest du dich gerade heute mit ihm streiten? Er schien den ganzen Abend überglücklich, endlich bei uns zu sein.«
    »Ich hatte nicht vor, euch diesen fröhlichen Tag kaputtzumachen. Ich hielt es aber für das Beste, dass euer Vater so früh wie möglich weiß, dass es nicht wie im Iran weitergehen kann.«
    Für mich war unser Leben im Iran eine schöne Zeit mit Menschen, die ich liebte: Nicht nur mit Madar, Pedar und meinen Brüdern, sondern auch mit Onkeln, Tanten, Mamani und Babai, mit denen ich so gerne lachte. Seit wir in Deutschland waren, hatte ich immer gehofft, dass es auch hier irgendwann wieder so sein würde – wenn nur Pedar kam und wir endlich wieder eine Familie waren.
    » Batscheha , im Iran war ich in eine Ehe gezwungen worden, die ich nicht wollte«, setzte Madar an. »Pedar und ich … wir waren nicht dafür bestimmt, zusammen zu sein.«
    Ich blieb stumm. Eine böse Vorahnung kroch in mir hoch, die ich nicht auszusprechen wagte. Masoud war weniger zögerlich: »Madar, werdet ihr euch scheiden lassen?«
    Ihre Antwort war kaum lauter als ein Flüstern: »Ja. Es tut mir leid.«
    »Das glaube ich nicht!«, fuhr Mojtaba hoch. »Es ist doch Pedar?!« Er schrie fast, warf sich in den Zugsitz und wandte sich wutentbrannt von ihr ab.
    Ich selbst war zu keiner Regung fähig. Als müssten Madars Worte sich erst einmal mühselig von meinen Ohren zu meinem Gehirn vorkämpfen, stierte ich sie regungslos an. Meine ganze Kindheit hatte ich mit meinen Eltern verbracht und selbst wenn Pedar nicht da war, wusste ich, dass er zumindest bald wiederkommen würde. Sollte ich ihn jetzt nie wieder sehen?
    Traurig und gleichzeitig liebevoll schaute Madar zu Mojtaba. Sie legte zart eine Hand auf seine Haare, doch er schüttelte sie ab. Sie zuckte kurz zusammen. Dann atmete sie tief durch. »Ich will nicht, dass sich irgendetwas zwischen euch und Pedar ändert. Er bleibt euer Vater. Aber ich kann nicht mehr mit ihm zusammen sein. Diese Jahre in Deutschland haben mir in vielem die Augen geöffnet. Ich habe Bedürfnisse wiederentdeckt, die ich früher unterdrückt und beinahe vergessen hatte – weil es mit Pedar keinen Platz für sie gab.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst. Wir waren doch glücklich im Iran, oder nicht?«, sprach Masoud wieder meine Gedanken aus.
    »Das stimmt nicht ganz. Aber wie hätte ich euch damals meinen Kummer zeigen sollen, wenn ich doch wusste, dass es keinen Ausweg daraus gab? Ihr wart klein und habt vieles nicht mitbekommen. Ich habe euren Vater geheiratet, ohne zu wissen, worauf ich mich einließ. Pedar und ich kannten uns nur flüchtig.« Sie redete nun schneller und lauter, als wäre endlich der Moment gekommen, all die Dinge auszusprechen, die seit einer Ewigkeit in ihr schlummerten. »Nach unserer Heirat lebten wir immer mehr aneinander vorbei. Es herrschte keine Zuneigung und Zärtlichkeit zwischen uns. Es gab Tage, an denen ich ihn, bevor er zur Arbeit ging, anflehte, er solle mir am Abend eine einzige Blume mitbringen. Ich wollte nur spüren, dass ich ihm etwas bedeutete. Als er heimkam, schaute ich in seine Hände – und sie waren leer. Wie sehr wünschte ich mir, dass er einmal Ich liebe dich sagen würde.« Ihr liefen Tränen über das Gesicht.
    Mojtaba schaute sie an. Dann holte er ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und gab es ihr.
    Sie wischte sich die Augen trocken und fuhr fort: »Ich hatte so viele Pläne für unser Leben. Eines Tages schlug ich ihm zum Beispiel vor, dass wir alle fünf eine Musikgruppe gründen könnten. Ich wollte, dass wir zusammen Spaß hatten. Unsere Familie sollte ein Ort der Freude und des Glücks sein. Doch er sagte nur, ich hätte komische Ideen und ging weg. Ihm war es am liebsten, in Ruhe gelassen zu werden. Dass ich dabei unglücklich war, schien er

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