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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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Gelegenheiten Fotos zu machen.
    Pedar blätterte sich Seite um Seite durch unser neues Leben. Da waren Bilder von unserem ersten Tag auf der neuen Schule; davon, wie Christa Madar in die Arme nimmt und auch eins, auf dem Mojtaba bei unserer Streichaktion von oben bis unten mit Farbe bespritzt ist. Dann tauchte ein Foto von der Feier bei der Flüchtlingshilfe auf. Darauf sah man Madar, wie sie Carinas Vater zur Begrüßung küsste. Pedars Augen waren wie eingefroren, er konnte nicht aufhören, auf das Bild zu starren.
    Ich versuchte ihn abzulenken: »Pedar, sieh mal hier, wie ich grille. Ich habe mich um Fleisch für fünfzig Besucher gekümmert.« Er schien mich kaum wahrzunehmen. Als dann auf der nächsten Seite Madar auftauchte, wie sie an einem Weinglas nippte, rastete er aus. »Ich kann nicht glauben, was ich hier sehe. Auch wenn wir nicht mehr im Iran sind, sollten wir Anstand bewahren. Eure Mutter scheint das seit der Flucht vergessen zu haben. Mojtaba, du bist der Älteste von euch dreien, und wenn ich nicht da bin, dann bist du der Mann des Hauses. Du musst auf Madar achten. Wenn sie etwas Falsches tut, musst du sie ermahnen. Und auch ihr beide, Masoud und Milad, solltet auf euren großen Bruder hören.«
    Mojtaba schien sichtlich verwirrt über die ihm zugesprochene Aufgabe. Auch Masoud und ich wussten nicht, was wir antworten sollten. Also schwiegen wir alle.
    »Pedar, hast du eigentlich Hunger?«, versuchte Masoud die angespannte Stille zu beenden.
    »Ja. Ich habe seit heute Morgen nichts gegessen.«
    Schnell standen wir auf, huschten zum Kühlschrank und brachten Brot, Butter, Käse und Marmelade. Dann aßen wir zusammen und die harschen Worte unseres Vaters verblassten. Wir erzählten ihm über die schwierige Zeit im Münsteraner Auffanglager und wie unser Antrag abgelehnt wurde.
    »Wie kann das sein, dass sie euch nicht glauben?«, fragte er misstrauisch. »Madar muss unkonzentriert gewesen sein und hat die Vorfälle bestimmt nicht richtig berichtet.«
    »Unser Anwalt sagt, dass fast alle bei der ersten Anhörung abgelehnt würden. Außerdem war unser Übersetzer ein Dari sprechender Afghane«, verteidigte Masoud unsere Mutter.
    Nachdem wir das Essen abgeräumt hatten, stürmte Mojtaba begeistert zum Fernseher. »Pedar, Pedar, meine Lieblingsserie kommt jetzt. Die musst du dir unbedingt anschauen, die ist super!«
    Wir setzten uns zusammen auf das Sofa – Pedar in unserer Mitte – und warteten auf den Anfang der Serie Xena, die Kriegerprinzessin . Ich musste lächeln, denn ich erinnerte mich, wie wir auch im Iran am Wochenende zusammen mit Pedar Zeichentrickfilme oder Spielfilme, etwa über den Krieg zwischen dem Iran und dem Irak, angeschaut hatten. Fast fühlte es sich an wie früher.
    Die Serie begann jedes Mal mit einer Zusammenfassung der vorherigen Folgen. Es wurde gekämpft, gestritten und gejubelt. Zum Schluss des Vorspanns küssten sich die Hauptfiguren innig.
    »Seit einer Woche warte ich auf diese Folge«, sagte Mojtaba und lehnte sich gespannt nach vorn. »Es ist gerade total spannend.«
    Plötzlich war der Fernseher aus. Erschrocken blickten wir uns um und sahen, wie Pedar die Fernbedienung in Händen hielt.
    »Was soll das?«, fuhr Mojtaba auf.
    »Madar lässt euch so etwas schauen? Es ist eine unanständige Sendung.«
    Mojtaba sprang aufgebracht von seinem Platz hoch. Doch bevor er weiter protestieren konnte, hörten wir, wie die Haustür aufgeschlossen wurde.
    Mir blieb das Herz stehen. Ich lief schnell zur Tür und sah, wie Madar eine Einkaufstüte auf dem freien Arm balancierte.
    »Ist etwas passiert?«, fragte sie besorgt, als ich ihr entgegeneilte.
    Erst zögerte ich, doch sie würde es ja sowieso gleich erfahren. »Pedar ist hier.«
    Wortlos ließ Madar die Tüte fallen und stürmte ins Wohnzimmer. »Was machst du hier?«
    Pedar stand dort bereits mit dem Blumenstrauß in der Hand. »Ich bin gekommen, damit wir uns wieder vertragen. Wir sind eine Familie und wir sollten zusammen sein.«
    »Ich habe dir meine Entscheidung schon mehrmals erklärt. Und daran wird sich nichts ändern.«
    »Das kannst du nicht machen! Sei vernünftig. Denk an unser Leben im Iran. Unsere Kinder. Wieso willst du alles wegwerfen?«
    »Du kannst die drei weiterhin sehen. Aber unsere Ehe ist vorbei.«
    »Denkst du, ich weiß nicht, weshalb du mich verlässt? Ich habe gerade Fotos gesehen, wie du einen anderen Mann geküsst hast. Wer ist dieser Bastard, der unser Leben raubt?« Pedar schrie seinen letzten

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