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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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einen Spruch meines Vaters auf. «Er hieß Waldemar, weil es im Wald geschah.»
    «Lachen Sie nich – det is ’n traurijet Schicksal.»
    «Wieso?»
    «Weila schon lange tot is. Aba nich so einfach jestorm, sondern ...» Sie schwieg plötzlich.
    So wie sie reagierte, mußte ich automatisch an unseren Besuch bei den Massengräbern des Speziallagers Nr. 7 denken. Wer in der DDR darüber sprach, riskierte es, daß sich die Stasi um ihn kümmerte.
    «Sagen Sie bloß, sie hat was mit diesem Waldemar v. Woerzke zu tun...?»
    Frau Bücknitz starrte mich an. «Woher wissen Sie’n det?»
    «Wir waren gestern im Schmachtenhagener Forst bei den Gräbern, weil meine Lebensgefährtin darüber eine Reportage macht, und da ist mir der große Rosenstrauß aufgefallen, der...»
    «Den hat Luise hinjebracht. Wo se schon mal in O-Burg war, gleich zwee Fliegen mit eena Klappe: erst Waldemar, dann icke.»
    «Nur weil se ma in dieselbe Klasse jegangen sind?» wollte Yaiza Teetzmann wissen.
    «Nee, det is ihre jroße Liebe jewesen. Und sie seine.»
    Ich sah Luise Tschupsch vor dem schlichten Holzkreuz knien. Und hinter einer der mächtigen Kiefern stand der verwahrloste Mann in der gelben Jacke.

7. Szene
Eisenbahnbrücke über den Oder-Havel-Kanal
    Ich stand oben auf der Brücke und hielt mich am Geländer fest. Unter dem Gitterrost strömte das Wasser südwärts Richtung Berlin. Es sah aus wie flüssiges Glas, aus Millionen dreckiger Flaschen recycelt. Ich hatte Angst davor, hineinzufallen und wie ein Insekt im Bernstein eingeschlossen zu werden. Es war nicht sehr angenehm hier oben. Der D-Zug nach Rostock fegte vorüber, und sein Luftschwall schien mich in die Tiefe zu stoßen.
    Der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg, der ORB, wollte uns bei unserer Suche nach dem Mörder von Luise Tschupsch tatkräftig unterstützen. Uwe Madel von der vielbeachteten Sendereihe «Täter – Opfer – Polizei» stellte die Fragen.
    «Um Punkt halb neun hat Luise Tschupsch also das Haus ihrer Freundin Ingeborg Bücknitz am Treidelweg verlassen...?»
    Der Scheinwerfer, den sie aufgestellt hatten, blendete mich ein wenig, und das Auge der Kamera fixierte mich böse, aber ich bekam mich doch so ziemlich in den Griff.
    «.. .ja, und muß dann etwa fünf Minuten später über diesen Steg hier gegangen sein, auf dem wir gerade stehen...»
    Uff! Der erste Satz war heraus – ohne großes Stottern. Mochten bei den vielen Sendern die Einschaltquoten auch noch so niedrig sein, immer gab es bei solchen Sachen Verwandte, Freunde und Kollegen, die zufällig gerade eingeschaltet hatten und dann furchtbar lästerten, wenn man sich blamiert hatte. Heike vor allem. «Na, warst du heute wieder beim Fernsehen Äh-machen...?»
    Uwe Madel sprach den Standardtext. Zweckdienliche Hinweise sind... Die Telefonnummer der Mordkommission Oranienburg ist 03301-632... und so weiter... Dann kam er noch einmal auf mich zurück.
    «Herr Mannhardt, gibt es denn schon einen ganz bestimmten Tatverdacht?»
    «Nein, sieht man einmal von den Männern ab, die in der Spessartstraße bei Frau Tschupsch im Bordell... Quatsch, Mensch, das nicht... Bloß nicht... Rausschneiden bitte.» Nun hatte ich mich doch verhaspelt.
    «Okay. Noch mal... Herr Mannhardt, gibt es denn schon einen ganz bestimmten Tatverdacht?»
    «Ja. Und zwar haben wir da die Beobachtung eines Zeugen...» Sollte ich sagen, daß ich das selber war...? Nein. «... eines Zeugen, der gesehen hat, wie ein Mann von etwa Mitte Sechzig, also ein älterer Mann schon, Luise Tschupsch in Oranienburg beobachtet und verfolgt hat. Ein Stadtstreicher möglicherweise, ein sogenannter Berber. Ungepflegter Bart, ziemlich verwahrlost. Auffällig an ihm soll eine knallgelbe Winterjacke gewesen sein. Eigelb, postgelb. » Daß er wie Herbert Wehner redete, verschwieg ich.
    Uwe Madel hakte ein. «Aber Luise Tschupsch ist doch nachweislich erschossen worden. Pflegt der moderne Stadt- und Landstreicher heutzutage solche Waffen mit sich zu führen?»
    Ansonsten hatte ich seine locker-ironische Art immer gemocht, jetzt aber verfluchte ich sie. «Im Prinzip nein, aber... Das ist schon rätselhaft, ja. Obwohl... Ein russischer Soldat könnte die Waffe für einen Appel und Ei verkauft haben. Der Gesuchte muß ja nicht unbedingt ein Stadtstreicher gewesen sein.»
    «Das Projektil, das Luis«Tschupsch getötet hat, ist ja inzwischen untersucht worden. Ist die Waffe, aus der es abgefeuert worden ist, irgendwie bekannt?»
    «Nein. Jedenfalls ist es eine

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