Unfassbar für uns alle
in einer dieser Mafia-Gruppen aus dem Osten drinstecken – die Vergangenheit dazu hat er allemal – und im Aufträge dieses Menschen hier die Tschupsch abschießen, die sittenstrenge Oberlehrerin, die dabei war, ihnen das lukrative Vögelgeschäft kaputtzumachen.»
Petra Zechow blieb stehen. «Koppatz, nee du, ick hab da ’n janz andren Favoriten...!»
«Wen denn?»
«Eenen, der mit der Roxana uffs Zimma wollte...» Sie grinste mich an.
«Mich? Aus Angst vor Heike, daß ich die Tschupsch sozusagen schon prophylaktisch...»
«Klar, du warst ja da in Oranienburg...»
«Heike ist nicht so, die hätte Verständnis dafür.»
«Det sagen se alle.» Sie holte erst umständlich ein Tempotaschentuch hervor, um ihre Schnupfennase zu entsorgen. «Aba ma Spaß beiseite...»
«Wen meinst du denn nun?»
«Kennste ooch: diesen Knallkopp da von ENTER-EINS.»
«Den Großinquisitor...?»
«Du sagstet. Der hat ’ne Frau, Mann du, da sitzt der jeden Abend bei sich zu Hause uff'm elektrischen Stuhl.»
17. Szene
Wohnung Luise Tschupsch
Die Wahrscheinlichkeit ging gegen Null, das war mir schon klar, aber Ludger Tschupsch war genau der Typ von Mensch, dem man auch zutraute, die eigene Schwester zu erschießen. Mitte Fünfzig mochte er sein, und sein exakt geschnittener Vollbart war in einer Weise schwarz-grau marmoriert, daß ich unwillkürlich an einen Aktendeckel denken mußte. Ich fand ihn zum Kotzen. Das mochte aber daran liegen, daß er mich an Joao erinnerte, Heikes letzten latin lover. Er war dabei, das Zimmer seiner Schwester auf den Kopf zu stellen. Mit dem Instinkt eines Aasgeiers war er pünktlich in Berlin erschienen.
Viel Russisches war ausgebreitet. Ein Samowar, die Basilius-Kathedrale bunt glasiert in Porzellan, Ikonen, ein Lenin-Orden, Dutzende von Mützen der Roten Armee, eine Balalaika, Ferngläser und etliches andere.
«Alles geerbt?» fragte ich.
«Nein, selber aus Rußland mitgebracht. Ich hab da einen Stand auf dem Flohmarkt. Straße des 17. Juni. Mit Sergej zusammen.»
Schon möglich, daß sein Komplize Luise Tschupsch erschossen hatte. Die alleinstehende Oberstudienrätin hatte, so unsere Erkenntnisse, mehr als 100000 DM im Wertpapierdepot – und ihr Bruder erbte dies nun alles.
«Ich habe gehört, Sie hätten in den USA bei der NASA als Techniker gearbeitet...? »
«Als Diplom-Ingenieur, ja. TU Berlin mit Eins, dann Massachusetts Institute of Technology und NASA. Aber ’86 bin ich da entlassen worden, nicht gefeuert. Der Stellenabbau...»
«Und dann?»
«Halten Sie mich für den Mörder meiner Schwester?»
Ich ging zum Fenster und zeigte auf einen alten Mann, der mit einer schlaffen Plastiktasche in der Hand in Richtung U-Bahn humpelte. «Sehen Sie den alten Herrn da unten?»
«Ja...»
Ludger Tschupsch hatte den unangenehmen Mundgeruch eines Menschen, der trotz eines schweren Magenleidens immer wieder Knoblauch aß.
«Das ist der einzige in Berlin, der noch nicht unter Tatverdacht steht.»
Ludger Tschupsch zeigte auf den «Club Dionysos» hinüber. «Ist doch klar, daß es ein Kunde von denen da gewesen ist, den meine Schwester aufgeschrieben hat. Ein ganz hohes Tier, Senator oder so. Und das darf natürlich niemals herauskommen. ..»
«Ein Senator, ach... Wer das perfekte Mißmanagement beherrscht, dem muß nicht auch zwangsläufig der perfekte Mord gelingen ...» Ich besah mir seine Schätze und mußte natürlich wieder an die ‹Ikonen-Mafia› und die ‹Balalaika-Bande› denken, von der der BKA-Mann in Oranienburg gesprochen hatte. «Was hatte denn Ihre Schwester für...»
Roxana öffnete drüben im Bordellbetrieb das Fenster. Wahrscheinlich hatte sie es gerade einem Kunden kräftig besorgt, ihm das gegeben, was mir versagt geblieben war. Meine Hoden registrierten es mit krampfartigen Schmerzen.
Ludger Tschupsch hatte keine Erklärung dafür, daß ich die Luft ausstieß und fragte nach.
«... ihre Schwester, ja. Was hatte die denn für eine Affinität zu Rußland?»
«Eigentlich gar keine. Aber sie wollte unbedingt wissen, wo dieser Waldemar v. Woerzke vergraben worden war. Und darum hat sie mich jetzt überall rumgeschickt, wo die Russen die Archive alle aufgemacht haben.»
«Und Sie haben das herausgefunden?»
«Ja. Im Schmachtenhagener Forst.»
«Nun lebt er aber doch noch...»
Ludger Tschupsch war sich ganz sicher. «Ich habe im NKWD- bzw. KGB-Archiv mit eigenen Augen gesehen, daß er da als Toter eingetragen war. Ich habe Luise die Fotokopien alle geschickt. Warten
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