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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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und Enrico führte uns zum Luisen-Denkmal.
    «Am 19.Juli 1810 ist die vom Volk geliebte preußische Königin in Hohen-Zieritz gestorben, am 25. begann die Überführung nach Berlin... Bei glühender Hitze...»
    «Wird se schon ’n bißchen jerochen ham», bemerkte Yaiza Teetzmann in ihrer unnachahmlichen Mir-kann-keener-Art.
    Enrico fand das ein wenig unpassend und zählte in nervtötender Vollständigkeit alle Würdenträger auf, die den Zug begleitet hatten und sich bei Fontane wiederfanden. «Herzog Karl v. Mecklenburg, Oberhofmeisterin Gräfin v. Voß, Schloßhauptmann v. Woerzke, Oberstallmeister v. Jagow...»
    Ah, da war er wieder, der Name v. Woerzke. Waldemars Ahnen waren also dabeigewesen, als der Leichenzug hier in Gransee Station gemacht hatte. «Da, wo der Sarg mit der Königin in der Nacht vom 25. auf den 26.Juli 1810 gestanden hat, sehen wir heute dieses herrliche Denkmal, vom großen Schinkel entworfen...»
    Wir gingen mehrmals um den Sockel herum. Über dem Sarg erhob sich, von Säulen getragen, ein Baldachin. Eine goldene Krone, Lotosblumen. Das Schönste aber waren die Inschriften.
     
    an dieser Stelle sahn wir jauchzend ihr entgegen, wenn
    sie die herrliche in milder herbheit glanz mit
    engelfreundlichkeit vorüber zog.
     
    an dieser Stelle hier ach flössen unsre thränen
    zwir dem stumme zuge betäubt entgegensahn
    o jammer sie ist hin.
     
    «O Jammer, sie ist hin!» Yaiza Teetzmann wie Heike konnten sich gar nicht mehr einkriegen vor lauter Fröhlichkeit.
    Enrico war gekränkt. «Ihr habt wirklich keinen Sinn für echte Gefühle!»
    «Weil wir halt Frauen sind», lachte Heike. «Wie sollten wir auch.»
    «Zum Waldemar-Tor noch, dann ist Schluß.»
    Wir liefen zur wunderschönen alten Stadtmauer, und alles war so sehr wie damals, daß mir nur Louis Armstrong einfallen wollte: The time stood still. Zwar nicht auf dem Blueberry Hill, aber am Granseer Waldemar-Tor.
    Enrico gab erneut sein Bestes. «Es geht die Sage, daß dieses Tor im 14. Jahrhundert zugemauert werden mußte, weil die Granseer zugelassen hatten, daß hier der (Falsche Waldemar› einmarschiert war.»
    Yaiza Teetzmann war noch immer furchtbar albern. «Falschen Hasen kenn ick, aba falschen Waldemar... Wat issen ditte?»
    Enrico scheuchte sie weg. «Kommt, geht Eis essen!»
    Die beiden Frauen verschwanden auch prompt in der nahen Eisdiele. Ich blieb. Enrico zuliebe wie aus eigenem Interesse. Bei Fontane stand herzlich wenig darüber.
    «Also... 1319 stirbt der letzte Askanier, der Markgraf Waldemar, und wird beigesetzt in Chorin. Die Mark Brandenburg ist herrenlos. Die Herrscher von Anhalt und Sachsen, der Kaiser, der Papst und die Wittelsbacher, die Bayern, alle wollen sie Sie haben. Alles geht drunter und drüber, alles versinkt in Anarchie und Chaos. Raubritter, Fehden und so weiter. Da erscheint auf dem Fürstentag zu Magdeburg ein mysteriöser Fremder und hält eine sehr anrührende Rede: «Ich bin Waldemar von Askanien, rechtmäßiger Markgraf von Brandenburg. Ein anderer Leichnam ruht statt meiner in der Choriner Gruft. Ich aber wallfahrtete barhäuptig ins Heilige Land und lebte in klösterlicher Abgeschiedenheit. Nun bin ich zurückgekehrt, mein Land aus der Verwüstung zu retten.»
    «Das gibt’s doch nicht!» Mein Kommentar mochte Enrico Pritzkoleit nicht sonderlich intelligent vorgekommen sein, aber ich war zu aufgewühlt, um Druckreifes von mir zu geben.
    Enrico erzählte die Geschichte zu Ende, ohne sich um meine Reaktion zu kümmern. «Die Askanier sind glücklich und glauben die Geschichte oder tun jedenfalls so. Sie führen Heinrich von Mecklenburg ins Feld, der auch 26Jahre lang im Orient festgehalten worden ist. Die Stände huldigen Waldemar. 35 märkische Städte öffnen ihm ihre Tore. 1348 belehnt ihn Kaiser Karl IV. mit der Mark Brandenburg. Endlich gibt es einen Regenten, der Ordnung schafft.»
    «Und warum nun der ‹Falsche Waldemar›?»
    «Na, die Gegenpartei, das Haus Wittelsbach, behauptet, dieser Mann sei kein anderer als der Müllersbursche Jakob Rehbock aus Niemegk, und er sei von den Askaniern aufgebaut und manipuliert worden.»
    «Aber das Alter muß doch gestimmt haben, das höfische Auftreten... Viele Dutzende von Bürgermeistern, Ratsherren, Pfarrern und Beamten können doch nicht bestochen oder blind gewesen sein...!?»
    «Tja...» Enrico machte eine Geste der Hilflosigkeit. «Zwar erkennt ihm derselbe Karl später die Echtheit wieder ab, aber immerhin: sieben Jahre lang bleibt er in Amt und

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