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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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mitgemacht hat. Ich hatte mir zuviel aufgeladen. Die Warnsignale nicht rechtzeitig beachtet. Abends war ich immer so richtig erschossen...»
    «... nicht so ganz aber wie Luise Tschupsch...»
    «Jeder Mensch stirbt seinen vorbestimmten Tod. Alles Geschehen existiert bereits – nur dadurch, daß wir es schrittweise erfahren, entsteht für uns der Eindruck von Zeit. Alles hängt mit allem auf eine sinnvolle Weise zusammen – und der Schuß auf Luise Tschupsch hat gewiß im kosmischen Ablauf eine ganz bestimmte Funktion – nur sind wir Menschen nicht in der Lage, sie auch zu erkennen.»
    Sie gefiel mir. Mitte Dreißig. Ein Gesicht, das ganz einfach lieb war. Mit ihr hätte ich gerne vier, fünf Jahre meines Lebens verbracht. Das war sicher der wahre Grund, warum die Leute so süchtig nach Fernsehserien waren: Man konnte sich identifizieren mit einem der Helden und dann sein Leben x-mal multiplizieren. Wir hatten nur einen Leib, okay, aber konnten tausend Seelen auf Wanderschaft schicken. Ich sah mich, wie ich diese Frau gesund pflegte, dann mit ihr in die Karibik flog und sie im lauen Wasser bis zum absoluten Wahnsinn liebte.
    Während ich dies alles erlebte, erzählte sie mir, warum sie trotz ihrer Schmerzen nach Oranienburg gefahren war. «Ich habe es ganz einfach tun müssen. Sie können es glauben oder auch nicht: Ich hatte letzten Montag einen Traum... Ich war eine KZ-Ärztin... In Oranienburg, in Sachsenhausen. Vielleicht weil ich mit meiner Esoterik-Gruppe vorher da war, aber wie auch immer... Jedenfalls: Es kann sein, daß meine Seele vorher in dieser KZ-Ärztin gewesen ist und ich nun als Sozialarbeiterin bis zur Erschöpfung, bis zur Erkrankung und zur schweren Operation Gutes tun muß, damit diese Seele erlöst wird und nicht mehr an das Rad der Wiedergeburt geflochten ist.»
    Die muß ja ganz schön ein Rad ab haben, dachte ich spontan. Aber, nun ja... Vielleicht war ich es auch, der nur beschränkt und einspurig denken konnte. Ich bemühte mich, freundlich und sachlich zu sein. «Sie haben also in der S-Bahn gesessen, die um 20 Uhr 40 in Oranienburg abgefahren ist...?»
    «Ja, ich hatte da mit ein paar Freunden noch etwas gegessen...»
    «... und dann in Fahrtrichtung wo gesessen?»
    «Links.»
    «Und da ist Ihnen dann etwas aufgefallen?»
    «Ja, ich hatte ja Zeit genug, Zeitung zu lesen. Alles lang und breit, wie Frau Tschupsch die Freier beobachtet und die Ehefrauen angerufen hat. Das ist ja für die Boulevardblätter ’n gefundenes Fressen gewesen.»
    «Zum Glück für uns. Und als sie auf der Brücke über den Oder-Havel-Kanal waren, da...»
    «... da habe ich ganz intensiv auf den Lehnitzsee hinausgesehen... trotz der Dunkelheit... weil ich da letzten Sommer mal mit der ‹Moby Dick› auf Grund gelaufen bin, der Kapitän total besoffen...»
    «Aber kein Dampfer, sondern...»
    «Ein BMW auf der Straße unten am Wasser... So unter ’ner Laterne... Und ein Mann davor mit einem länglichen Gegenstand in der Hand, einem Schirm vielleicht. Normalerweise hätte ich das ja sofort wieder vergessen, aber weil es doch genau am Tatort war und so zur Tatzeit etwa... Kann sein, daß es albern ist, Sie deswegen aus Oranienburg... Aber...» Sie schien nun doch Schmerzen zu haben.
    «Nein, nein, das kann schon sehr wichtig sein... So viele Menschen werden sich da nicht aufgehalten haben.» Und es paßte auch sehr gut ins Bild vom Killer, der mit einer ‹sauberen› Waffe schnell seinen Job erledigte.
    Ich zog eine bunte Karte hervor, das nächste Stück für unsere Pinnwand, und schrieb mit dickem Filzer: SUCHE NACH MANN MIT BMW UND SCHIRM.

16. Szene
Bordellbetrieb
    Ich ging die Treppe hoch. Mit dem Fahrstuhl wäre es mir zu schnell gegangen. In der dritten und der vierten Etage sollte es sein. Ich hatte schon gegenüber im Hausflur gestanden und nur in die Wohnung der Tschupsch hinauf gewollt, da war mir ganz spontan der Gedanke gekommen, mit dem Geschäftsführer des «Club Dionysos» zu sprechen. Was es auch immer an Möglichkeiten gab, am wahrscheinlichsten war ja, daß Luise Tschupsch von einem ehrenwerten Mitglied der Berliner High Society ermordet worden war, das hier verkehrt hatte und von ihr nicht aus dem Verkehr gezogen werden wollte.
    Für mich war es ein rein dienstlicher Besuch, nichts weiter. Ehe ich aber mein Verslein so richtig murmeln konnte, war ich von einer eher biederen Dame eingelassen und in eine Art Warteraum geführt worden, in dem drei Mädchen saßen. Das Ganze erinnerte ein wenig an

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