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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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aber nicht. «Nein: Alexanderplatz, Weinmeisterstraße, Rosenthaler Platz, Bernauer Straße, Voltastraße...»
    Travolta... Keine Folter für Travolta.
    Ich fing mich wieder. «Was machen denn Ihre Knochen?»
    Zinna wich unwillkürlich einen Schritt zurück. «Meine... was?»
    «Ihr Skelett. Das Skelett bei Ihnen im Garten.» Hatte ich völlig vergessen. Unendlich wichtiger war es, Luise Tschupschs Mörder wie den falschen Waldemar zur Strecke zu bringen.
    Zinnas Erstaunen wurde noch um einiges stärker. «Wissen Sie denn nicht, was da außerdem noch...? Die Arbeiter haben’s aber gemeldet.»
    «Nein, was denn?»
    «Daß man in der Nähe des Toten noch Gegenstände gefunden hatte, die offensichtlich im Lager angefertigt worden sind... Eine selbstgefeilte Gabel, eine Art Amulett...»
    «In welchem Lager: Im KZ oder im NKWD-Lager?»
    «Im späteren Lager...»
    Ich sah meinen Zug einfahren und schwankte einen Augenblick. Der Impuls, Zinna schnell auf Wiedersehen zu sagen und nach Neukölln zu fahren war stark, doch ich unterdrückte ihn. Black / Woerzke / Wolmir war wichtiger. Es ratterte bei mir. Die Zinnas waren irgendwie mit den Russen von NKWD liiert gewesen... Das Grundstück am Bahndamm, wo sie das Skelett gefunden hatten, gehörte der Familie Zinna seit 1928... Wenn nun Zinnas Vater Woerzkes Flucht entdeckt, ihn gestellt und dann erschlagen hatte...? Sein Haß auf die alte Junkerkaste. Das war allemal ein starkes Motiv. Die Frage war nur, warum er ihn bei sich am Ende des Gartens vergraben hatte, anstatt seinen deutschen und russischen Freunden diese Tat freudig zu melden? Wahrscheinlich aus Angst davor, daß ihn die Leute in Friedrichsheide in Zukunft nicht mehr grüßten und symbolisch vor ihm ausspuckten.
    Ich freute mich. Meine Hypothese vom falschen Waldemar erhielt damit neuen Auftrieb. Von wegen nach Frohnau geflüchtet – oben in Friedrichsheide hatte alles ein Ende gefunden.
    Zinna fühlte sich durch mein langes Schweigen sichtlich irritiert. «Sie glauben es auch...?»
    «Was soll ich glauben?»
    «Daß mein Vater einen Flüchtling aus Sachsenhausen erschlagen und begraben hat...»
    Er sagte «einen Flüchtling» und nicht «Woerzke», das war interessant. «Nein. Wer behauptet denn so was?»
    «Na, die Leute von der Havelland-Invest, Schweriner und seine Hintermänner. Um mich zum Abschuß freizugeben.»
    «Ihre Sache ist doch eh verloren. Jetzt, wo Woerzke zurück ist. An seinen Rückübertragungsansprüchen gibt’s doch keinen Zweifel mehr.»
    «Nein.»
    Ich dachte nach. Für Zinna war dieser Mensch ohne jede Frage der echte Waldemar. «Und die wollen Sie als PDS-Mann aus dem Bürgermeisteramt weg haben, aus Friedrichsheide generell, wenn Woerzke da wieder das Regiment antritt...?»
    «Genau das ist der Fakt.»
    Ich überlegte, ob ich Zinna für mich und meine Sache instrumentalisieren sollte und konnte. Um Black / Woerzke / Wolmir und seine Hintermänner zu verunsichern und zu Zügen zu verleiten, die schlecht für sie waren. Ja, nein. Doch, ich mußte es riskieren.
    Ich lächelte den Bürgermeister an. Pfiffig, tricky, cool. «Verbreiten Sie doch einfach das Gerücht, Woerzke selber hätte den Mann am Bahndamm erschlagen. Um in dessen Kleidung und mit dessen Geld und Papieren zu fliehen. Wahrscheinlich sei es ein Cousin von ihnen gewesen, noch immer vermißt, ein ganz lieber Junge, Flakhelfer, Klavierspieler, fast ein Genie. So ähnlich jedenfalls. Vorabendserie... Etwas, was Mitgefühl auslöst.»

26. Szene
Pizzeria «Capo Secco»
    Ich hatte erst einmal gegrillten Lachs bestellt und ließ es mir schmecken. 19,50 DM waren für einen Beamten des gehobenen Dienstes eigentlich zuviel, aber schließlich hatte ich Nazireich, Krieg, Blockade, Chruschtschow-Ultimatum und Mauerbau wie -fall lebend überstanden und somit das Recht, mich derart zu belohnen.
    Drei jüngere italienische Ober in auberginefarbenen Jacken wuselten durch das genormte Ristorante und waren auffallend höflich. Der Chef saß an einem kleinen Tisch und ging irgendwelche Bestellungen durch. Ein dunkler Buddha mit einer schwarzen Mönchstonsur, nicht unbedingt gefährlich. Was bedeutete es, daß mein Fisch 19,50 DM kostete? Die Kollegen, die von der Organisierten Kriminalität etwas verstanden, hatten da die folgende Faustregel: Ist der Preis zu niedrig, kann man auf Geldwäsche schließen, ist er zu hoch, dann kann von Schutzgelderpressung ausgegangen werden. Hier im «Capo Secco» schien er mir zu niedrig zu sein. Gehörte

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