Unfassbar für uns alle
richtig verstehe, waren Sie also an dem Abend, als Luise Tschupsch ermordet worden ist, da in der Nähe?»
Hermann Hackenow sprang auf. «Ich bin kein Mörder! Und wenn ich mal jemanden ermorde, dann höchstens mich selber!» Er fiel wieder auf seinen Stuhl zurück, holte seinen Flachmann aus der Tasche und nahm einen Schluck Nordhäuser Doppelkorn. «Schon damit ich wieder mal schön sauber bin... Der Leichenwäscher... Wie meine Mutter früher. So richtig abgeseift wird man da. Ich weiß, daß ich stinke!»
«Ganz im Gegenteil...» Der Berber, der Stadt- und Landstreicher Hermann Hackenow saß mir in einem geradezu vornehmen dunkelblauen Anzug gegenüber, so richtig mit weißem Hemd und rotem Schlips. Auch Bart und Haar waren absolut sauber und gepflegt. So war er vor zehn Minuten hier hereinspaziert, ein ganz anderer als der, nach dem wir mit Hilfe des ORB gefahndet hatten. Nichts von gelber Winterjacke, nichts von Penner-Look und kein Uringestank, keine ‹olfaktorische Belästigung).
Ich nahm einen neuen Anlauf. «Herr Hackenow... Ich glaube zwar an den Zufall als einzige göttliche Kraft, aber in Ihrem Falle ist mir selbst das ein bißchen viel... Ich seh Sie – von der S-Bahn aus – da, wo die Tschupsch erschossen worden ist, ich seh Sie im Schmachtenhagener Forst am Grab von Woerzke, an dem Kreuz, wo Luise Tschupsch gerade ihren Strauß abgelegt hatte...»
Hermann Hackenow reckte sich hoch. «Ich bin ein alter Freund von Waldemar. Ich sage nur: Friedrichsheide. Mein Vater hat in der Chemie gearbeitet, und wir hatten da ’ne Werkswohnung. Waldemar war ’n Spielkamerad von mir. Was wir da für Streiche gemacht haben, ich kann Ihnen sagen.. .! Wir waren der Schrecken der Gegend. Waldemar hat nachts die Chemikalien aus der Fabrik geklaut, und dann haben wir Knallkörper gebastelt und auf die Schienen gelegt. Bei Zinna hinten aufm Bahndamm. Einmal is sogar ’ne Ferkeltaxe entgleist.»
Er geriet in eine derartige Begeisterung, daß ich an der Wahrheit seiner Worte kaum zweifeln konnte. «Und deswegen sind Sie öfter hin zu den Massengräbern...?»
«Das nicht, ich hab doch gleich nebenan mein Zuhause, im Wald da, meine ‹Villa Erdloch), wenn Sie wissen, was ich meine.»
«Sicher.» Jetzt kam die entscheidende Frage. «Haben Sie denn mit Woerzke schon gesprochen, seit er aus den USA zurück ist?»
«Natürlich. Auferstanden von den Toten... Da muß man doch hin. Ins Schloßhotel Friedrichsheide. Da wollten sie mich nicht reinlassen und haben mich wieder rausgeschmissen. Bis dann mein Freund Waldemar den Befehl gegeben hat: Der Hackenow kriegt ’n Zimmer mit Bad und ’n passenden Anzug mit allem darunter!»
«Wie in ’ner Fernsehserie, herrlich!» Ich mußte mich beherrschen. «Und Woerzke... Wie war das so, haben Sie den gleich wiedererkannt ...?»
«Der Waldi, klar: ganz der Alte! Genau wie früher.»
Was konnte ich anderes machen, als Hermann Hackenow mit herzlichem Dank nach Hause schicken. Nicht in die ‹Villa Erdloch›, sondern ins «Schloßhotel Friedrichsheide».
Ein geschickter Schachzug von Black / Woerzke / Wolmir. Daß er zu immer besserer form auflief, zeigte mir der Blick in den Oranienburger Generalanzeiger. Da erschien jetzt seine Fluchtstory als eine Art Fortsetzungsroman. Anhand einer detailreichen Skizze sollten wir glauben, daß er vom Schmachtenhagener Forst sofort Richtung Borgsdorf, Birkenwerder, Hohen Neuendorf, Frohnau gelaufen war, also auf keinen Fall auf dem Grundstück von Zinna jemanden getötet haben konnte.
Das Telefon klingelte. Ich nahm ab und freute mich, Hundt am Apparat zu haben.
«Du, ganz schnell mal wegen dieser Joan Woerzke...»
«Ah, ja, was gibt’s...? Die Ex-Geliebte Clintons?»
«Nein. Aber so ganz falsch scheinst du nicht zu liegen. Kellnerin, Fotomodell und möglicherweise eine Affäre mit Giancarlo Caccia, einem Neffen aus dem Caccia-Clan. Rauschgift, Prostitution, das übliche. Deswegen steckt sie drüben auch im Computer drin. Aber ein dickes Fragezeichen dahinter. Nichts ist bewiesen, keine Anklage erhoben worden. Vielleicht hat sie bei Caccia auch wirklich nur im Ristorante als Kellnerin gearbeitet...»
«Und wo war das alles?»
«In Bethlehem...»
«Oh...» Paßte ja herrlich zur Auferstehungsgeschichte.
«Das ist die Stahlstadt in Pennsylvania. Woerzke hat in der Nähe des «Pennsylvania Dutch Contry› eine Art Vergnügungspark betrieben, ein kleines Dorf nachgebaut. Nicht als Woerzke, sondern als William Black Schrägstrich
Weitere Kostenlose Bücher