Ungeduld des Herzens.
Kind ...«
Doch schon warf sie sich hoch. »Sagen Sie nicht immer ›Kind‹ zu mir. Sie wissen, ich vertrag das nicht. Was sind Sie denn schon älter als ich? Ich darf's mir vielleicht noch erlauben, mich zu wundern, daß Sie nicht sehr überrascht waren und vor allem nicht sehr ... sehr ... teilnehmend. Aber übrigens, warum sollten Sie sich nicht freuen? Schließlich kriegen doch auch Sie Urlaub dadurch, daßdie Bude hier für ein paar Monate gesperrt wird. Da können Sie wieder ruhig mit Ihren Kameraden im Kaffeehaus sitzen und tarockieren und sind den langweiligen Samariterdienst los. Ja, ja, ich glaub's Ihnen schon, daß Sie sich freuen. Jetzt kommt für Sie eine bequeme Zeit.«
Es war etwas derart grob Zuschlagendes in ihrer Art, daß ich den Stoß bis in mein schlechtes Gewissen hinein spürte. Zweifellos, ich mußte mich verraten haben. Um abzulenken – denn ich kannte schon das Gefährliche ihrer Reizbarkeit in solchen Augenblicken – suchte ich die Auseinandersetzung ins locker Spaßhafte abzuschieben.
»Bequeme Zeit – wie Ihr Euch das vorstellt! Eine bequeme Zeit für Kavalleristen, der Juli, der August, der September! Wissen Sie nicht, daß da Hochkonjunktur ist für alle Schindereien und Rüffeleien? Erst die Vorbereitungen für die Manöver, dann hinüber oder herüber nach Bosnien oder Galizien, dann die Manöver selbst und die großen Paraden! Aufgeregte Offiziere, abgehetzte Mannschaften, allerhöchster Dienst im schärfsten Extrakt von morgens bis abends. Bis tief in den September hinein geht dieser Tanz.«
»Bis Ende September? ...« Sie wurde mit einem Mal nachdenklich. Etwas schien sie zu beschäftigen. »Aber wann ...«, setzte sie schließlich an, »werden Sie dann kommen?«
Ich verstand nicht. Wirklich, ich verstand nicht, was sie meinte, und fragte vollkommen naiv:
»Wohin kommen?«
Sofort spannten sich wieder die Brauen. »Fragen Sie nicht immer so tolpatschig! Uns besuchen! Mich besuchen!«
»Im Engadin?«
»Wo denn sonst? In Tripstrill vielleicht?«
Jetzt erst begriff ich, was sie meinte; die Vorstellung war tatsächlich zu absurd für mich gewesen, ich solltemir, ich, der ich gerade meine letzten baren sieben Kronen für jene Blumen ausgegeben hatte und dem jeder Abstecher nach Wien trotz der halben Fahrkarte schon eine Art Luxus bedeutete, so mir nichts dir nichts eine Reise ins Engadin leisten.
»Na, da sieht man einmal«, lachte ich ganz ehrlich, »wie Ihr Zivilisten Euch das Militär vorstellt. Kaffeehaus und Billardspielen, auf dem Korso spazierengehen und wenn man grade Lust hat, Zivil anziehen und ein paar Wochen in der Welt herumrutschen. Höchst einfach, so eine Spritzfahrt. Man hebt zwei Finger an die Kappe und sagt: ›Adieu, Herr Oberst, ich hab keine rechte Schneid, jetzt weiter Militär zu spielen! Auf Wiederschaun, wann's mir grad wieder paßt!‹ Ihr habt's eine Ahnung, wie's in unseren allerhöchsten Tretmühlen zugeht! Wissen Sie, daß unsereins, wenn er einmal eine einzige Stunde außertourlich freihaben will, sich die Binde anschnallen muß und beim Rapport schön brav die Hacken zusammenklappen und ›gehorsamst‹ seine Bitte vorbringen? Jawohl, soviel Faxen und Feierlichkeiten für eine einzige Stunde. Und für einen ganzen Tag braucht man mindestens eine tote Tante oder sonst ein Familienbegräbnis. Das Gesicht von meinem Obersten möchte ich mir anschauen, wenn ich so mitten in der Manöverzeit ihm submissest mitteilen tat, ich hätt den Gusto, jetzt für acht Tage auf Urlaub in die Schweiz zu gondeln. Da möchten's ein paar Ausdrücke hören, die Sie in keinem zimmerreinen Lexikon finden. Nein, mein liebes Fräulein Edith, das stellen Sie sich doch etwas zu leicht vor.«
»Ach was, alles ist leicht, was man wirklich will! Spielen Sie sich nicht auf, als ob grad Sie unentbehrlich wären! Würde eben inzwischen ein anderer Ihre ruthenischen Schafsköpfe abrichten. Übrigens, das mit dem Urlaub richtet Ihnen Papa in einer halben Stunde. Er kennt ein Dutzend Leute im Kriegsministerium, und wenn ein Wortvon oben kommt, kriegen Sie, was Sie verlangen – schaden könnt's Ihnen übrigens wirklich nicht, wenn Sie einmal was anderes von der Welt sehn würden als Ihre Reitschule und Ihren Exerzierplatz. Also keine Ausflüchte – das ist erledigt. Das richtet Ihnen Papa.«
Es war dumm von mir, aber dieser lasche Ton ärgerte mich. Schließlich drillen einem ein paar Dienstjahre doch ein gewisses Standesbewußtsein ein; ich fühlte eine Art Herabsetzung
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