Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
Vom Netzwerk:
fühlen ... oder aus irgendwelchen Gründen sonst – was geht's mich an? Gut ... gut. Erledigt. Aber jetzt ehrlich und klar: warum kommen Sie dann überhaupt zu uns?«
    Auf alles war ich gefaßt gewesen, nur nicht auf diese Frage. In meiner Verblüffung stammelte ich, um Zeit zu gewinnen, ein vorbereitendes:
    »Aber ... aber das ist doch ganz einfach ... da hätte es doch keines Ehrenworts bedurft ...«
    »So? ... einfach? Gut! Um so besser! Also los?«
    Nun gab es kein Ausbiegen mehr. Das Einfachste schien mir die Wahrheit, nur merkte ich schon, daß ich sie vorsichtigst stilisieren müßte. So setzte ich mit scheinbarer Ungezwungenheit an:
    »Aber, liebes Fräulein Edith – suchen Sie doch keine geheimnisvollen Beweggründe bei mir. Sie kennen mich schließlich genug, um zu wissen, daß ich jemand bin, der nicht viel über sich nachdenkt. Ich bin, ich schwör's Ihnen, noch nie auf die Idee gekommen, mich zu examinieren, warum ich zu dem geh und zu jenem, warum ich die einen Leut gern hab und die andern nicht. Mein Wort ich kann Ihnen wirklich nichts Gescheiteres und nichts Dümmeres sagen, als daß ich immer wieder zu Euch komm – eben weil ich gern zu Euch komm und weil ich mich hier eben hundertmal wohler fühl als anderswo. Ihr stellt's Euch, glaub ich, unsere Kavalleristik doch ein bissel zu sehr nach der Operette vor, immer fesch, immer lustig, eine Art ewiger Kirchweih. Nun, von innen sehen die Dinge nicht so üppig aus, und auch mit der vielgerühmten Kameradschaft steht's manchmal reichlich windig. Wo ein paar Dutzend vor die gleiche Karre gespanntsind, zieht immer einer schärfer an als der andere, und wo's Avancement und Ranglisten gibt, tritt man dem Vordermann leicht auf die Zehen. Bei jedem Wort, das man sagt, muß man auf der Hut sein, nie ist man ganz sicher, ob man nicht das Mißbehagen der Großkopfeten erregt; immer hängt wo ein Donnerwetter in der Luft. Dienst kommt von Dienen, und Dienen heißt abhängig sein. Und dann, eine Kaserne und ein Wirtshaustisch sind doch nie ein rechtes Zuhause; keiner braucht einen dort und keinem liegt was an einem. Ja, ja, es geht schon manchmal ganz fidel zu mit den Kameraden, aber irgendein Letztes an Sicherheit kriegt man nie richtig heraus. Wenn ich dagegen zu Euch komm, da leg ich mit dem Säbel zugleich alle Bedenklichkeiten weg, und wenn ich dann mit Euch so gemütlich plausche, dann ...«
    »Nun ... was ist dann?« Ganz ungeduldig stieß sie es heraus.
    »Dann ... na, Sie werden's vielleicht ein bissel unverschämt finden, daß ich's so ehrlich heraussag ... dann red ich mir ein, Ihr seht's mich gern bei Euch, hier gehör ich dazu, hier bin ich hundertmal mehr zu Hause als irgendwo. Immer, wenn ich Sie so anschau, hab ich das Gefühl ...«
    Ich stockte unwillkürlich. Aber sie wiederholte sofort mit gleicher Heftigkeit: »Nun, was ist bei mir ...«
    »... daß da jemand ist, bei dem ich nicht so schrecklich überflüssig bin wie bei den Unsrigen ... Natürlich, ich weiß schon, viel ist nicht dran an mir, manchmal wunder ich mich selber, daß ich Euch nicht längst schon langweilig geworden bin ... Oft ... Ihr wißt's ja nicht, wie oft ich schon Angst gehabt hab, ob ich Euch nicht schon über bin ... aber dann erinnere ich mich immer, wie allein Sie da sitzen in dem großen leeren Haus, und daß Sie's freuen könnt, wenn jemand zu Ihnen kommt. Und das, sehn Sie, macht mir jedesmal wieder Mut ... jedesmal wenn ich Sieauf Ihrem Turm oder in Ihrem Zimmer find, rede ich mir ein, es war doch gut, daß ich gekommen bin, statt daß Sie da allein den langen Tag versitzen. Können Sie das wirklich nicht verstehen?«
    Aber nun geschah etwas Unerwartetes. Die grauen Augen wurden starr, es war, als ob etwas in meinen Worten ihre Pupillen versteinert hätte. Dagegen wurden allmählich die Finger unruhig, sie tasteten die Lehne auf und nieder, begannen zuerst leise und dann immer heftiger auf dem blanken Holz zu trommeln. Der Mund verzerrte sich leicht, und mit einem Mal sagte sie abrupt:
    »Ja, ich verstehe. Ich verstehe vollkommen, was Sie meinen ... Sie haben ... Sie haben jetzt, glaube ich, wirklich die Wahrheit gesagt. Sehr, sehr höflich haben Sie sich ausgedrückt, und sehr gewunden. Aber ich hab Sie doch genau verstanden. Ganz genau verstanden ... Sie kommen, sagen Sie, weil ich so ›allein‹ bin – das heißt auf gut deutsch: weil ich angenagelt bin an diesen verfluchten Liegestuhl. Nur deshalb also trotten Sie täglich heraus, nur als barmherziger

Weitere Kostenlose Bücher