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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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darin, daß so ein blutjunges, unerfahrenes Mädel von oben herab über die Generäle des Kriegsministeriums – für uns eine Art blauer Götter – verfügte, als wären sie Privatangestellte ihres Vaters. Immerhin hielt ich mich trotz allen Ärgers noch im lockeren Ton.
    »Nun gut: Schweiz, Urlaub, Engadin – gar nicht übel! Ausgezeichnet, wenn's mir faktisch, wie Sie sich das vorstellen, auf dem Servierbrett hergeschoben wird, ohne daß ich gehorsamst ›bitte, bitte‹ machen muß. Aber nötig wär außerdem, daß Ihr Herr Papa im Kriegsministerium zu dem Urlaub noch ein besonderes Reisestipendium für den Herrn Leutnant Hofmiller herauskitzelt.«
    Nun war sie es wiederum, die aufstutzte. Sie spürte in meinen Worten etwas Hintergründiges, das sie nicht begriff. Schärfer spannten sich die Brauen über den ungeduldigen Augen. Ich sah, ich mußte deutlicher werden.
    »Also vernünftig, Kind ... pardon, reden wir vernünftig, Fräulein Edith. Die Sache liegt leider nicht so einfach, wie Sie meinen. Sagen Sie – haben Sie sich einmal überlegt, was so eine Eskapade kostet?«
    »Ach, das meinen Sie?« sagte sie völlig unbefangen. »Das kann doch nicht arg sein. Ein paar hundert Kronen höchstens. Die werden's doch nicht ausmachen.«
    Nun konnte ich meinen Unmut nicht länger beherrschen. Denn hier lag mein empfindlichster Punkt. Ich glaube, ich habe schon einmal gesagt, wie sehr mich'squälte, in unserem Regiment zu den Offizieren zu gehören, die keinen Heller eigenes Vermögen besaßen, und bloß auf die Gage und den recht knappen Zuschuß meiner Tante angewiesen zu sein; schon in unserem eigenen Kreis ging's mir immer scharf an die Leber, wenn man in meiner Gegenwart verächtlich von Geld sprach, als ob es wie Disteln wüchse. Hier war mein wunder Punkt. Hier war ich lahm, hier trug ich meine Krücken. Einzig deshalb erregte es mich so unverhältnismäßig, daß dieses verwöhnte, verzogene Geschöpf, das doch selber an seiner Zurückgesetztheit höllisch litt, die meine nicht begriff. Gegen meinen Willen wurde ich beinahe grob.
    »Ein paar hundert Kronen höchstens? Eine Kleinigkeit, nicht wahr? Eine erbärmliche Kleinigkeit für einen Offizier! Und Sie finden's natürlich schäbig, daß ich so eine Läpperei überhaupt erwähne? Nicht wahr, schäbig, kleinlich, knickerig! Aber haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wovon unsereins sich durchfretten muß? Womit er sich abfinden und abschinden muß?«
    Und da sie mich noch immer mit jenem verkniffenen und, wie ich töricht vermeinte, verächtlichen Blick anstarrte, packte mich plötzlich das Bedürfnis, ihr meine ganze Armut bloßzulegen. Genau wie sie damals, um uns zu quälen, mit Absicht vor uns, den Gesunden, durch das Zimmer gehumpelt war, um sich durch diesen herausfordernden Anblick zu rächen an unserer behaglichen Gesundheit, so empfand ich eine Art zorniger Freude, ihr die Enge und Abhängigkeit meiner Existenz exhibitionistisch zu entblößen.
    »Wissen Sie denn überhaupt, was ein Leutnant Gage kriegt?« fuhr ich sie an. »Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht? Also, damit Sie's wissen: zweihundert Kronen am Ersten des Monats für die dreißig oder einunddreißig Tage und dazu die Verpflichtung, ›standesgemäß‹ zu leben. Von diesem Bettel hat er die Menage, die Wohnung,den Schneider, den Schuster und seinen standesgemäßem Luxus zu bestreiten. Gar nicht zu reden davon, wenn, Gott behüte, einmal was mit dem Roß passiert. Und wenn er glorreich gewirtschaftet hat, dann bleiben ihm grad noch die paar Heller übrig, um in jenem Kaffeehausparadies zu schlemmen, mit dem Sie mich immer aufziehen; dort kann er, wenn er wirklich gespart hat wie ein Tagelöhner, sich alle Herrlichkeiten der Erde bei einer Schale Melange erkaufen.«
    Ich weiß heute, daß es dumm, daß es verbrecherisch von mir war, mich dermaßen von meiner Bitterkeit hinreißen zu lassen. Wie sollte ein siebzehnjähriges Kind, verwöhnt und weltfremd auferzogen, wie sollte diese Gelähmte, ständig an ihr Zimmer gefesselt, etwas von Geldwert und Gage und unserem glänzenden Elend ahnen? Aber die Lust, mich für zahllose kleine Erniedrigungen einmal an jemandem zu rächen, hatte mich gleichsam hinterrücks angefallen, und ich drosch zu, blindlings, besinnungslos, wie man immer im Zorn zuschlägt, ohne die Wucht des Hiebs in der eigenen Hand zu fühlen.
    Aber kaum daß ich aufblickte, begriff ich schon, wie tierisch roh ich zugeschlagen. Mit der Feinfühligkeit der

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