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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Kranken hatte sie sofort gespürt, daß sie mich unbewußt an empfindlichster Stelle getroffen. Unwiderstehlich – ich sah, sie wehrte sich dagegen und hob rasch die Hand vor das Gesicht – wurde sie rot; offenbar hatte ein bestimmter Gedanke ihr das Blut in die Wagen getrieben.
    »Und da ... und da kaufen Sie mir noch so teure Blumen?«
    Nun kam ein peinlicher Augenblick, und er währte lange. Ich schämte mich vor ihr, und sie schämte sich vor mir. Wir hatten beide einander unbeabsichtigt verletzt und fürchteten uns vor jedem neuen Wort. Mit einem Mal hörte man den Wind, der warm durch die Bäume strich, und unten im Hof das Gackern der Hühner, und von ferneab und zu das dünne Rollen eines Wagens die Landstraße entlang. Aber da raffte sie sich schon wieder auf.
    »Und ich bin so dumm und geh auf Ihren Unsinn ein! Wirklich, dumm bin ich und reg mich sogar noch auf. Was kümmert Sie das überhaupt, was so eine Reise kostet? Wenn Sie zu uns kommen, sind Sie selbstverständlich unser Gast. Glauben Sie, Papa würde zugeben, wenn Sie schon so nett sind, uns zu besuchen ... daß Sie da noch Kosten haben? So ein Unsinn! Und ich laß mich zum Narren halten von Ihnen ... also kein Wort mehr darüber – nein, kein Wort, habe ich gesagt!«
    Aber hier war der Punkt, wo ich nicht nachgeben konnte. Denn nichts war mir – ich sagte es schon früher dermaßen unerträglich wie der Gedanke, als Schmarotzer zu gelten.
    »Doch! Ein Wort noch! Wir wollen doch keine Mißverständnisse! Also klipp und klar: ich lasse mich nicht ausbitten von meinem Regiment, ich lasse mich nicht freihalten. Mir paßt es nicht, Ausnahmen und Annehmlichkeiten zu fordern. Ich will in Reih und Glied stehen mit meinen anderen Kameraden, ich will nichts Außertourliches und keine Protektion. Ich weiß, Sie meinen es gut und Ihr Herr Vater meint es gut. Aber manche Leute können eben nicht alles Gute im Leben serviert bekommen ... Sprechen wir nicht weiter davon.«
    »Sie wollen also nicht kommen?«
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich nicht will. Ich erklärte Ihnen deutlich, weshalb ich nicht kann.«
    »Auch nicht, wenn mein Vater Sie darum ersucht?«
    »Auch dann nicht.«
    »Und auch ... auch wenn ich Sie bitte? ... Wenn ich Sie herzlich, wenn ich Sie freundschaftlich bitte?«
    »Tun Sie's nicht. Es hätte keinen Sinn.«
    Sie senkte den Kopf. Aber schon hatte ich das wetterleuchtende Zittern und Zucken um ihren Mund bemerkt,das untrüglich bei ihr eine gefährliche Irritation ankündigte. Dieses arme verwöhnte Kind, nach dessen Wink und Wunsch alles im Hause geschah, hatte etwas Neues erlebt: es war auf Widerstand gestoßen. Jemand hatte ihr »nein« gesagt, und das erbitterte sie. Mit einem Ruck riß sie meine Blumen vom Tisch und warf sie in zornigem Bogen weit über die Balustrade.
    »Gut«, stieß sie dann zwischen den Zähnen heraus. »Jetzt weiß ich wenigstens, wie weit Ihre Freundschaft reicht. Gut, daß man's einmal erprobt hat! Nur weil ein paar Kameraden im Kaffeehaus sich den Mund zerreißen könnten, verstecken Sie sich hinter Ausredereien! Nur weil man Angst hat, daß man einen schlechten Punkt in der Sittennote kriegt beim Regiment, verdirbt man seinen Freunden eine Freude! ... Aber gut! Erledigt! Ich werde nicht weiter betteln. Sie haben keine Lust – gut! Erledigt!«
    Ich spürte, ihre Erregung war noch nicht völlig gewichen, denn sie wiederholte nochmals und nochmals mit einer gewissen zähen Hartnäckigkeit dieses »gut«; gleichzeitig stemmte sie gewaltsam beide Hände an die Lehne, um ihren Körper höher zu ziehen, als wollte sie vorstoßen zu einem Angriff. Plötzlich wandte sie sich mir scharf zu.
    »Gut. Erledigt der Fall. Unser submissestes Gesuch ist abgelehnt. Sie besuchen uns nicht, Sie wollen uns nicht besuchen. Es paßt Ihnen nicht. Gut! Man wird's überstehen. Sind schließlich auch früher ohne Sie ausgekommen ... Etwas aber möchte ich noch wissen – wollen Sie mir jetzt aufrichtig antworten?«
    »Selbstverständlich.«
    »Aber ehrlich! Ihr Ehrenwort! Geben Sie mir Ihr Ehrenwort.«
    »Wenn Sie durchaus darauf bestehen – mein Ehrenwort.«
    »Gut. Gut.« Immer wiederholte sie dieses harte, schneidende »gut«, als risse sie damit etwas wie mit einemMesser weg. »Gut. Keine Angst, ich insistiere nicht weiter auf Dero erlauchtem Besuch. Nur eins möchte ich wissen – Sie haben mir Ihr Wort gegeben. Nur das eine. Also – es paßt Ihnen nicht, zu uns zu kommen, weil's Ihnen unangenehm ist, weil Sie sich geniert

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