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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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ohne Schuld, immer gejagt, immer verpflichtet; immer spürst du, wie ein stetes brennendes Saugen, dies An-dich-denken. Voll Haß, voll Schrecken mußt du diese fremde Sehnsucht leiden, die um dich leidet, und ich weiß nun: es ist die unsinnigste, unentrinnbarste Bedrängnis eines Mannes, geliebt zu werden wider seinen Willen, Qual aller Qualen und doch Schuld ohne Schuld.
    Nicht im flüchtigsten Tagtraum war mir je denkbar erschienen, auch mich könnte eine Frau so maßlos lieben.Zwar war ich oft dabeigesessen, wenn Kameraden protzig erzählten, wie diese oder jene ihnen »nachlief«; ich hatte vielleicht bei der indiskreten Wiedergabe solcher Zudringlichkeit im erheiterten Chore sogar mitgelacht, denn damals ahnte ich noch nicht, daß jede Form der Liebe, auch die lächerlichste und absurdeste, Schicksal eines Menschen ist und man auch durch Gleichgültigkeit in Schuld gerät gegen Liebe. Aber alles Erlauschte und Angelesene streift doch nur kraftlos an einem vorbei; nur aus eigenem Erleben vermag das Herz das Wesentliche des Gefühls zu erlernen. Erst mußte ich selbst die Not erfahren, die eine fremde, unsinnige Liebe dem Gewissen auflastet, um Mitleid zu fühlen mit dem einen und dem andern, mit jenem, der gewaltsam sich andrängt, und jenem, der gewaltsam sich dieses Überschwangs erwehrt. Aber in welch unausdenkbarer Steigerung war hier gerade mir diese Verantwortung zugeteilt! Denn wenn es an sich schon Grausamkeit bedeutet und beinahe Roheit des Herzens, eine Frau in ihrer Neigung zu enttäuschen, um wieviel furchtbarer dann das »Nein«, das »Ich will nicht«, das ich diesem hitzigen Kinde sagen sollte! Eine Kranke mußte ich kränken, eine vom Leben ohnehin schon schmerzhaft Verletzte noch tiefer verwunden, einer innerlich Unsicheren noch die letzte Krücke Hoffnung, mit der sie sich aufrechterhielt, wegreißen. Ich wüßte, wie ich dieses Mädchen, das allein mein Mitleid erschüttert hatte, gefährdete und vielleicht zerstörte, wenn ich mich flüchtend ihrer Liebe entzog; grauenhaft klar war ich von vorneweg der ungeheuren Schuld bewußt, die ich wider meinen Willen beging, wenn ich, unfähig, ihre Liebe hinzunehmen, nicht wenigstens vortäuschte, sie zu erwidern.
    Aber ich hatte keine Wahl. Noch ehe die Seele bewußt die Gefahr begriff, hatte der Körper in mir die jähe Umarmung schon abgewehrt. Immer sind die Instinkte wissenderals unsere wachen Gedanken; bereits in dieser ersten Sekunde des Erschreckens, da ich mich wegriß von ihrer gewalttätigen Zärtlichkeit, hatte ich dumpf alles vorausgewußt. Gewußt, daß ich nie die Heilandskraft haben würde, die Verstümmelte so zu lieben, wie sie mich liebte, und wahrscheinlich nicht einmal genug Mitleid, um diese mich entnervende Leidenschaft nur zu ertragen . In diesem ersten Augenblick des Zurückflüchtens hatte ich schon geahnt: hier gab es keinen Ausweg, keinen Mittelweg. Einer mußte unglücklich werden durch diese unsinnige Liebe oder der andere, und vielleicht alle beide.
     
    Wie ich damals in die Stadt zurückgelangte, werde ich mir niemals deutlich zu machen vermögen. Ich weiß nur, ich ging sehr rasch, und nur ein Gedanke wiederholte sich mit jedem Schlag der Pulse: fort! fort! Fort von diesem Hause, fort aus dieser Verstrickung, fliehen, flüchten, verschwinden! Nie mehr diese Villa betreten, nie mehr diese Menschen sehen, überhaupt keine Menschen! Sich verstecken, sich unsichtbar machen, niemandem mehr verpflichtet sein, in nichts mehr verstrickt! Ich weiß, ich versuchte noch weiter zu denken: den Dienst quittieren, irgendwo Geld herbekommen und dann hinausflüchten in die Welt, so weit weg, daß dieses irrwitzige Verlangen mich nicht mehr erreichen könnte; aber all dies war schon mehr geträumt als klar durchdacht, denn immer hämmerte dazwischen in den Schläfen das eine Wort: fort, fort, fort, nur fort!
    An meinen bestaubten Schuhen und an Rissen von Disteln an meiner Hose merkte ich später, daß ich quer durch Wiesen und Felder und Straßen gerannt sein mußte; jedenfalls stand, als ich mich schließlich auf der Hauptstraße fand, die Sonne schon hinter den Dächern. Und wirklich wie ein Schlafwandler schrak ich auf, als mirunvermutet jemand von rückwärts auf die Schulter klopfte.
    »Hallo, Toni, da bist du ja! Höchste Zeit, daß wir dich erwischen! Jeden Winkel haben wir nach dir durchstöbert, grad wollten wir hinaustelephonieren in deine Ritterburg.«
    Ich sah mich umringt von vier Kameraden, der unvermeidliche Ferencz war

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