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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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dabei, Jozsi und der Rittmeister Graf Steinhübel.
    »Aber fix jetzt! Denk dir, der Balinkay ist plötzlich hereingeschneit, von Holland oder von Amerika, weiß Gott, von wo. Aber alle Offiziere und Einjährigen vom Regiment hat er eingeladen für heut abend. Der Oberst kommt und der Major, große Tafel heut, im Roten Löwen, um halb neun. Ein Glück, daß wir dich erwischt haben, der Alte hätte schön gebrummt, wenn du ausgekniffen wärst! Du weißt doch, daß er an dem Balinkay einen Narren gefressen hat; wenn der kommt, muß alles aufmarschieren.«
    Ich hatte meine Gedanken noch immer nicht völlig beisammen. Ganz verdutzt fragte ich:
    »Wer ist gekommen?«
    »Der Balinkay! Schneid doch kein so blödes G'sicht! Kennst du am End den Balinkay nicht?«
    Balinkay? Balinkay? In meinem Kopf torkelte alles noch wirr durcheinander, wie aus verstaubtem Gerümpel mußte ich diesen Namen mir mühsam herausholen. Ach ja, der Balinkay – der war doch einmal das mauvais sujet des Regiments gewesen. Noch lang vor meiner Garnisonszeit hatte er hier als Leutnant und dann als Oberleutnant gedient, der beste Reiter, der tollste Bursche des Regiments, ein wilder Spieler und Ladykiller. Aber irgend etwas Peinliches war dann passiert, ich hatte mich nie danach erkundigt; jedenfalls, in vierundzwanzig Stunden hatte er die Uniform an den Nagel gehängt und wardann kreuz und quer in der Welt herumgeschwommen, man munkelte davon allerhand sonderbare Geschichten. Schließlich hatte er sich wieder zusammengerissen dadurch, daß er sich im Shepherds Hotel in Kairo eine reiche Holländerin angelte, eine Witwe mit schweren Millionen, Besitzerin irgendeiner Maatschappij mit siebzehn Schiffen und ausgiebigen Plantagen in Java und Borneo drüben: seitdem war er unser unsichtbarer Schutzpatron.
    Diesem Balinkay mußte unser Oberst Bubencic damals aus einem dicken Schlamassel geholfen haben, denn Balinkays Treue zu ihm und zum Regiment blieb wirklich rührend. Jedesmal, wenn er nach Osterreich kam, fuhr er eigens herüber in die Garnison und schmiß mit dem Gelde so toll herum, daß man noch wochenlang davon in der Stadt erzählte. Die alte Uniform für einen Abend anzuziehen, wieder Kamerad unter Kameraden zu sein, war ihm eine Art Herzensbedürfnis. Wenn er an dem gewohnten Offizierstisch saß, locker und leicht, spürte man ihm an, daß ihm dieser schlechtgetünchte rauchige Saal im »Roten Löwen« hundertmal mehr Heimat war als sein feudales Palais an einer Amsterdamer Gracht: wir waren und blieben seine Kinder, seine Brüder, seine wahre Familie. Alljährlich stiftete er Preise für unsere Steeplechase, regelmäßig kamen zu Weihnachten zwei oder drei Kisten bunter Bolsschnäpse und Champagnerkörbe angerückt, und mit absoluter Verläßlichkeit konnte der Oberst jedes Neujahr einen saftigen Scheck für die Kameradschaftskasse bei der Bank einkassieren. Wer die Ulanka und am Kragen unsere Aufschläge trug, durfte sich auf Balinkay verlassen, wenn er irgend einmal in Schwulitäten geriet: ein Brief und alles war ausgeputzt.
    Zu jeder anderen Zeit hätte mich die Gelegenheit, diesem viel Gerühmten zu begegnen, ehrlich gefreut. Aber der Gedanke an Lustigkeit, lautes Hallo, Toaste und Tafelreden schien meiner Verstörtheit so ziemlich dasUnerträglichste auf Erden. So versuchte ich, schleunigst abzurücken: ich fühlte mich nicht recht auf dem Damm. Jedoch mit einem drastischen »Ausgeschlossen! Heut gibt's kein Abpaschen«, hatte mich Ferencz schon unter den Arm gefaßt, und ich mußte widerwillig nachgeben. Verworren hörte ich ihn, während sie mich weiterzogen, erzählen, wie und wem Balinkay schon aus der Schlamastik geholfen, daß er sofort seinem Schwager eine Stellung verschafft habe und ob unsereins nicht geschwinder Karriere machen könnte, ginge man auf ein Schiff zu ihm oder nach Indien hinüber. Joszi, dieser hagere, verbissene Bursche, tropfte ab und zu Essig in des braven Ferencz dankbare Begeisterung. Ob der Oberst sein »Herzpinkerl« derart liebevoll empfangen würde, spottete er, wenn Balinkay nicht diesen dicken holländischen Schellfisch eingefangen hätte; zwölf Jahre soll sie übrigens älter sein als er, und: »Wenn man sich schon verkauft, soll man sich wenigstens teuer verkaufen«, lachte Graf Steinhübel.
    Jetzt nachträglich kommt es mir sonderbar vor, daß mir trotz meiner Benommenheit jedes Wort dieses Gesprächs im Gedächtnis blieb. Oft geht ja mit einer Betäubung des wachen Denkens eine innere Erregtheit der

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