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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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ihm die Kehle hoch, daß es scharf in die Stille rasselt. Und jedenfalls muß man an der Art, wie er, krebsrot im Gesicht, mich anschnaubt und dabei jedes Staccato mit einem klatschenden Hieb gegen die Reitstiefel begleitet, bis in die letzte Reihe merken, daß ich ärger heruntergeputzt werde als ein Schulbub; hundert neugierige undvielleicht ironische Blicke spüre ich in meinen Rücken gespießt, während der cholerische Troupier mich mit gesprochener Jauche überschüttet. Seit Monaten und Monaten ist über keinen von uns ein ähnliches Hagelwetter niedergegangen wie über mich an diesem stahlblau strahlenden, von ahnungslosen Schwalben munter überflogenen Junitag.
    Mir zittern die Hände am Zügel vor Ungeduld und Zorn. Am liebsten möchte ich dem Pferd eins über die Kruppe dreschen und auf und davon galoppieren. Aber vorschriftsmäßig unbeweglich, erfrorenen Gesichts, muß ich dulden, daß Bubencic mich abschließend noch anpfeift, er lasse sich von einem solchen elenden Patzer nicht die ganze Übung versauen. Morgen werde ich Weiteres hören, für heute wünsche er meiner Visage nicht mehr zu begegnen. Dann hart und scharf wie ein Fußtritt ein verächtliches »Abtreten!«, wobei er abschließend noch einmal mit der Reitpeitsche gegen den eigenen Stiefelschaft schlägt.
    Ich aber muß gehorsam mit der Hand an den Helm fahren, ehe ich kehrtmachen und zurück zur Front reiten darf; kein Blick eines Kameraden kommt mir offen entgegen, alle ducken sie aus Verlegenheit die Augen tief unter den Helmschatten. Alle schämen sich für mich, oder ich empfinde es zumindest so. Glücklicherweise kürzt ein Kommando meinen Spießrutengang. Auf ein Trompetensignal beginnt die Übung von neuem; die Front zerbricht und löst sich in einzelne Züge. Und diesen Augenblick benützt Ferencz – warum sind die Dümmsten immer die Gutmütigsten zugleich? – um wie zufällig sein Pferd heranzudrängen und mir zuzuflüstern: »Mach dir nix draus! So was kann jedem passieren.«
    Aber er kommt schlecht an, der brave Junge. Denn barsch fahre ich ihn an: »Kümmere dich gefälligst um deine eigenen Angelegenheiten«, und drehe scharf ab. Indieser Sekunde habe ich zum erstenmal und in der eigenen Seele erfahren, wie ungeschickt man mit Mitleid verwunden kann. Zum erstenmal und zu spät.
     
    Hinschmeißen! Alles hinschmeißen! denke ich mir, während wir wieder in die Stadt zurückreiten. Fort, nur fort, irgendwohin fort, wo niemand einen kennt, wo man frei ist von allem und allem! Weg, nur weg, entkommen, entrinnen! Keinen mehr sehen, sich nicht mehr vergöttern, nicht mehr erniedrigen lassen! Fort, nur fort – unbewußt geht das Wort in den Rhythmus des Trabs über. In der Kaserne werfe ich die Zügel rasch einem Ulanen zu und verlasse sofort den Hof. Ich will nicht bei der Offiziersmesse heute sitzen, will mich weder bespotten und noch weniger mich bemitleiden lassen.
    Aber ich weiß nicht recht, wohin. Ich habe keinen Vorsatz, kein Ziel: in meinen beiden Welten bin ich unmöglich geworden, draußen und drinnen. Nur fort, nur fort, hämmert's in den Pulsen, nur fort, nur fort, dröhnt's in den Schläfen. Nur hinaus, irgendwohin, weg jetzt von dem verfluchten Kasernenhaus, weg von der Stadt! Noch die widerliche Hauptstraße entlang und weiter, nur weiter! Aber plötzlich ruft mir jemand von ganz nah ein herzliches »Servus« herüber. Unwillkürlich starre ich hin. Wer grüßt mich da so intim – ein hochgewachsener Herr in Zivil, Breeches, grauer Dreß und schottische Mütze? Nie gesehen, ich erinnere mich nicht. Er steht der fremde Herr, neben einem Automobil, um das zwei Mechaniker in blauen Kitteln hämmernd beschäftigt sind. Aber jetzt tritt er, offenbar meine Verwirrung gar nicht bemerkend, auf mich zu. Es ist Balinkay, den ich immer nur in Uniform gesehen.
    »Hat schon wieder einmal seinen Blasenkatarrh«, lacht er mir zu, auf das Auto deutend, »so geht's bei jeder Fahrt.Ich glaub, das wird noch gute zwanzig Jahre dauern, ehe man mit diesen Töfftöffs wirklich verläßlich fahren kann. War doch einfacher mit unseren guten alten Rössern, da versteht unsereins wenigstens was davon.«
    Unwillkürlich spüre ich eine starke Sympathie für diesen fremden Menschen. Er hat eine so sichere Art in jeder Bewegung und dazu den hellen warmen Blick der Leichtsinnigen und Leichtlebigen. Und kaum daß dieser unvermutete Gruß mich anruft, blitzt plötzlich in mir der Gedanke auf: dem könntest du dich anvertrauen. Und im winzigen Raum

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