Ungeduld des Herzens.
dem Rücken zu verbergen. Aber die Wahl hätte immerhin schon ein Sichansprechen, das eine Wort »rechts« oder »links« gefordert; selbst ihm wichen wir beide einverständlich aus, und ich stellte ohne weiteres die Figuren auf. Nur nicht sprechen! Nur alle Gedanken in das Karree der vierundsechzig Felder einsperren! Einzig auf die Figuren starren, nicht einmal auf die fremden Finger, die sie bewegen! Und so spielten wir mit jener vorgetäuschten Versunkenheit, wie sie sonst nur ganz verbissenen Schachmeistern eigen ist, die alles um sich herum vergessen und ihre ganze Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Partie konzentrieren.
Bald aber verriet das Spiel schon selbst das Trügerische unseres Tuns. In der dritten Partie versagte Edith vollkommen. Sie machte falsche Züge, am Zucken ihrer Finger merkte ich deutlich, sie ertrug dieses unwahrhafte Schweigen nicht länger. Mitten im Spiel schob sie das Brett weg.
»Genug! Geben Sie mir eine Zigarette!«
Ich holte eine aus der ziselierten silbernen Dose und zündete beflissen ein Streichhölzchen an. Als das Licht aufflammte, konnte ich ihren Augen nicht ausweichen.Sie starrten völlig reglos, nicht mir zugewandt und auch nicht in eine bestimmte Richtung blickend; gleichsam erfroren in eisigem Zorn verharrten sie unbeweglich und fremd, jedoch über ihnen zuckten in zitterndem Bogen die gespannten Brauen. Ich verstand sofort das wetterleuchtende Zeichen, das bei ihr einen Nervenausbruch unvermeidlich ankündigte.
»Nicht!« mahnte ich ehrlich erschrocken. »Bitte nicht!«
Aber sie warf sich zurück in ihren Fauteuil. Ich sah das Zucken über den ganzen Körper hin fortströmen und die Finger sich immer tiefer in die Lehne einkrampfen.
»Nicht! nicht!« bat ich nochmals, mir fiel nichts anderes ein als dieses eine beschwörende Wort. Aber das aufgestaute Weinen war bereits durchgebrochen. Es war kein wildes, lautes Schluchzen, sondern – furchtbarer noch – ein stilles erschütterndes Weinen mit verbissenem Mund, ein Weinen, das sich seiner selbst schämte und das sie doch nicht zu bändigen vermochte.
»Nicht! Ich bitte Sie, nicht!« sagte ich und legte, mich nahe heranbeugend, um sie zu beruhigen, die Hand auf ihren Arm. Sofort lief es wie ein elektrischer Schlag über die Schultern hin und dann wie ein Riß quer durch den ganzen in sich gekrümmten Leib.
Und mit einmal hörte das Zucken auf, alles wurde wieder starr, sie rührte sich nicht mehr. Es war, als ob der ganze Körper wartete, als ob er lauschte, um zu verstehen, was diese fremde Berührung meinte. Ob sie Zärtlichkeit bedeutete oder Liebe oder nur Mitleid. Furchtbar war dieses Warten mit aussetzendem Atem, dieses Warten eines ganzen reglos lauschenden Körpers. Ich fand nicht den Mut, meine Hand zu entfernen, die so wunderbar jäh das aufschwellende Weinen beschwichtigt hatte, und hatte andererseits wieder nicht die Kraft, meine Finger zu einer Zärtlichkeit zu zwingen, die Ediths Körper, ihre brennende Haut – ich fühlte es – so dringlich erwartete.Wie etwas Fremdes ließ ich meine Hand liegen, und mir war, als käme an dieser einen Stelle ihr ganzes Blut mir warm und pulsend entgegen.
Willenlos verblieb meine Hand auf ihrem Arm, ich weiß nicht, wie lange, denn die Zeit stand während dieser Minuten so still wie die Luft in dem Zimmer. Dann aber spürte ich, daß ein leises Bemühen in ihren Muskeln begann. Abgewendeten Blicks, ohne mich anzuschauen, schob sie sanft mit ihrer Rechten meine Hand von ihrem Arm weiter hinüber zu sich, langsam zog sie sie näher zu dem Herzen, und nun gesellte sich zaghaft und zärtlich auch ihre Linke dazu. Beide hielten sie meine große, schwere, nackte Männerhand sehr sachte fest und begannen ganz, ganz zart mit furchtsamen Liebkosungen. Zuerst wanderten ihre zärtlichen Finger nur wie neugierig um meine wehrlose, reglose Handfläche herum, hauchhaft bloß die Haut übergleitend. Dann fühlte ich, wie die dünnen kindlichen Tastungen mit vorsichtigem Strich vom Gelenk her bis an die Fingerspitzen sich emporwagten, wie sie innen und außen, außen und innen versucherisch die Formen nachschmeichelten, wie sie erschrocken zuerst innehielten bei den harten Nägeln, um dann auch diese rund zu umtasten und dann wieder die Adern entlang zu gleiten bis hinab zum Gelenk und abermals auf und nieder – es war ein zärtliches Erkunden, das niemals sich erkühnte, meine Hand wirklich fest zu nehmen, zu drücken, zu fassen. Nur wie laues Wasser einen umspült, nahte
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