Ungeduld des Herzens.
gegeneinander spielten, und sauber-gradlinig standen das Körbchen mit Wolle und die Schere aufgereiht. Erst als die Niedergeneigte die leeren Pupillen zu uns aufhob und sich auf ihrer glatten Rundung miniaturhaft die Lampe spiegelte, wurde die Unempfindlichkeit ihrer Augen offenbar.
»Nun, Klara, haben wir Wort gehalten?« sagte Condor, zärtlich auf sie zutretend, mit jenem schwingenden Ton, der immer weich aus seiner Kehle bebte, wenn er sich an sie wandte. »Nicht wahr, es hat nicht lang gedauert! Und wenn du es wüßtest, wie froh ich bin, daß der Herr Leutnant mich aufgesucht hat! Du mußt nämlich wissen – aber setzen Sie sich doch einen Augenblick, lieber Freund – daß er in derselben Stadt in Garnison steht, wo die Kekesfalvas wohnen, du erinnerst dich doch an meine kleine Patientin.«
»Ach, das arme lahme Kind, nicht wahr?«
»Und nun verstehst du auch: durch den Herrn Leutnant erfahre ich ab und zu, ohne daß ich eigens hinfahren muß, was es dort Neues gibt. Er geht fast jeden Tag hinaus, um sich ein bißchen der Armen anzunehmen, und leistet ihr Gesellschaft.«
Die Blinde wandte den Kopf in die Richtung, wo sie mich vermutete. Etwas Weiches glättete mit einem Mal ihre harten Züge.
»Wie gut von Ihnen, Herr Leutnant! Ich kann mir denken, wie ihr das wohltut!« nickte sie mir zu; unwillkürlich rückte ihre Hand auf dem Tisch näher an mich heran.
»Ja, gut auch für mich«, fuhr Condor fort, »sonst müßte ich viel öfter hinaus, um sie in ihrem nervösen Zustand aufzurichten. Da bedeutet's mir eine große Entlastung, daß gerade in dieser letzten Woche, ehe sie zur Erholung in die Schweiz fährt, Leutnant Hofmiller bei ihr ein bißchen aufpaßt. Man hat's mit ihr nicht immer leicht, aber er nimmt sich der Armen wirklich wunderbar an, ich weiß, er läßt mich nicht im Stich. Auf ihn kann ich mich besser als auf meine Assistenten und Kollegen verlassen.«
Ich verstand sofort, daß Condor mich noch fester binden wollte, indem er mich in Gegenwart dieser anderen Hilflosen verpflichtete; aber ich nahm das Versprechen gern auf mich.
»Selbstverständlich können Sie sich auf mich verlassen, Herr Doktor. Ich gehe bestimmt diese letzten acht Tage vom ersten bis zum letzten hinaus und würde Ihnen den kleinsten Zwischenfall sofort telephonisch melden. Jedoch es wird« – ich blickte ihn über die Blinde hinweg bedeutsam an – »es wird keinen Zwischenfall und keine Schwierigkeiten geben. Ich bin dessen so viel wie gewiß.«
»Ich auch«, bestätigte er mit einem kleinen Lächeln. Wir verstanden uns ganz. Aber da begann um den Mund seiner Frau eine kleine Anstrengung. Man sah, daß etwas sie quälte.
»Ich hab mich noch gar nicht bei Ihnen entschuldigt, Herr Leutnant. Ich fürchte, ich bin vorhin ein bißchen ... ein bißchen unfreundlich zu Ihnen gewesen. Aber das dumme Mädel hatte niemanden gemeldet, ich hatte keineAhnung, wer da im Zimmer wartete, und Emmerich hat mir noch nie von Ihnen erzählt. So meinte ich, es wäre jemand Fremder, der ihn aufhalten will, und er ist doch immer todmüde, wenn er nach Hause kommt.«
»Sie haben ganz recht gehabt, gnädige Frau, und Sie sollten sogar noch strenger sein. Ich fürchte – verzeihen Sie meine Unbescheidenheit – Ihr Herr Gemahl gibt zu viel von sich her.«
»Alles«, unterbrach sie mich heftig und rückte mit dem Sessel leidenschaftlich näher heran. »Alles, sage ich Ihnen, gibt er her, seine Zeit, seine Nerven, sein Geld. Er ißt nicht, er schläft nicht wegen seiner Kranken. Jeder beutet ihn aus, und ich, mit meinen blinden Augen, kann ihm nichts abnehmen, kann ihm nichts wegschaffen. Wenn Sie wüßten, wie ich um ihn in Sorge bin! Den ganzen Tag denke ich: jetzt hat er noch nichts gegessen, jetzt sitzt er schon wieder in der Bahn, in der Tramway, und in der Nacht werden sie ihn wieder wecken. Für alle hat er Zeit, nur für sich selbst nicht. Und mein Gott, wer dankt ihm dafür? Niemand! Niemand!«
»Wirklich niemand?« beugte er sich lächelnd über die Erregte.
»Natürlich«, errötete sie. »Aber ich kann doch gar nichts für ihn leisten! Wenn er heimkommt von der Arbeit, bin ich jedesmal ganz zerquält vor Angst. Ach, wenn Sie nur Einfluß auf ihn nehmen könnten! Er brauchte jemanden, der ihn ein bißchen zurückhält. Man kann doch nicht allen helfen ...«
»Aber versuchen muß man's«, sagte er und blickte mich dabei an. »Dafür lebt man doch. Nur dafür.« Ich spürte die Mahnung bis nach innen dringen. Aber ich ertrug
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