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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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betrügst, doppelt betrügst, indem du mit heiterer Sicherheit von ihrer baldigen Genesung sprichst und gleichzeitig innerlich zitterst vor Scheu und Scham. Tu unbefangen, ganz unbefangen, mahnte ich mich immer wieder, versuch's deiner Stimme Herzlichkeit, deinen Händen Zärtlichkeit und Zartheit zu geben.
    Aber zwischen einer Frau, die ihre Neigung an einen Mann einmal verraten, und diesem Mann schwingt eine feurige, eine geheimnisvolle, eine gefährliche Luft. Liebenden ist immer unheimliche Hellsichtigkeit für das wahre Glück des Geliebten zu eigen, und da Liebe ihrem innersten Wesen gemäß allemal das Grenzenlose will, muß alles Maßvolle, alles Gemäßigte ihr widrig, ihr unerträglich sein. In jedem Gehemmtsein und Eingedämmtsein des andern ahnt sie den Widerstand, in jedem Nicht-voll-sich-Gewähren mit Recht die verborgene Gegenwehr. Und etwas mußte damals offenbar verlegen und verwirrt in meiner Haltung, etwas unehrlich und ungeschickt in meinen Worten gewesen sein, denn alle meine Bemühungen hielten ihrem wachsamen Warten nicht stand. Das Letzte gelang mir nicht: sie zu überzeugen, und immer unruhiger ahnte ihr Mißtrauen, daß ich das Eigentliche, das Einzige nicht gab, das sie von mir begehrte: die Gegenliebe der Liebe. Manchmal hob sie inmitten des Gesprächs – und gerade dann, wenn ich am eifrigsten um ihr Zutrauen, um ihre Herzlichkeit warb – den grauen Blick scharf zu mir empor; dann mußte ichimmer die Lider senken. Mir war, als hätte sie eine Sonde hinabgestoßen, um den untersten Grund meines Herzens zu erkunden.
    Drei Tage ging das so, eine Qual für mich, eine Qual für sie; ununterbrochen spürte ich dies stumme gierige Warten in ihren Blicken, in ihrem Schweigen. Dann – ich glaube, es war am vierten Tage – begann jene merkwürdige Feindseligkeit, die ich zuerst nicht begriff. Ich war wie gewöhnlich schon frühnachmittags gekommen und hatte ihr Blumen gebracht. Sie nahm sie, ohne recht aufzublicken, legte sie lässig zur Seite, um mir mit dieser betonten Gleichgültigkeit zu zeigen, ich sollte nicht hoffen, mich durch Geschenke freizukaufen. Nach einem beinahe verächtlichen »Ach, wozu denn so schöne Blumen!« verschanzte sie sich sofort wieder hinter einer demonstrativen und feindseligen Stummheit. Ich versuchte, unbefangene Konversation zu machen. Doch sie antwortete bestenfalls mit einem knappen »ach« oder »so« oder »merkwürdig, merkwürdig«, immer aber beleidigend deutlich markierend, daß mein Gespräch sie nicht im mindesten interessierte. Mit Absicht betonte sie schon rein äußerlich ihre Gleichgültigkeit: sie spielte mit einem Buch, blätterte es auf, legte es weg, tändelte mit allerhand Gegenständen, ein-, zweimal gähnte sie ostentativ, dann rief sie, mitten während ich erzählte, den Diener, fragte ihn, ob er den Chinchillapelz eingepackt habe, und erst als er bejaht hatte, wandte sie sich mir wieder zu mit einem kalten »Erzählen Sie nur weiter«, das den unausgesprochenen Nachsatz allzu deutlich erraten ließ, »es ist doch ganz gleichgültig, was Sie mir vorschwätzen«.
    Schließlich fühlte ich meine Kraft erlahmen. Oft und öfter blickte ich nach der Tür, ob nicht endlich jemand kommen wollte, um mich von diesem verzweifelten Monologisieren zu erlösen, Ilona oder Kekesfalva. Aber auch dieser Blick entging ihr nicht. Mit verstecktemHohn fragte sie scheinbar teilnahmsvoll: »Suchen Sie etwas? Wollen Sie etwas?«, und ich konnte zu meiner Beschämung nichts anderes erwidern als ein dummes: »Nein, durchaus nicht.« Wahrscheinlich hätte ich am vernünftigsten getan, den Kampf offen aufzunehmen und sie anzufahren: »Was wollen Sie eigentlich von mir? Warum quälen Sie mich? Ich kann ja auch fortgehen, wenn es Ihnen lieber ist.« Aber ich hatte doch Condor zugesagt, alles Brüske oder Herausfordernde zu vermeiden; statt die Last dieses böswilligen Schweigens mit einem Ruck von mir zu werfen, schleppte ich törichterweise das Gespräch durch zwei Stunden wie über heißen stummen Sand, bis endlich Kekesfalva erschien, scheu wie immer in der letzten Zeit und vielleicht noch verlegener: »Wollen wir nicht zu Tisch gehen?«
    Und dann saßen wir rund um den Tisch, Edith mir gegenüber. Nicht ein einziges Mal blickte sie auf, zu niemandem sprach sie ein Wort. Alle drei spürten wir das Obstinate, das aggressiv Beleidigende ihrer verpreßten Stummheit. Um so gewaltsamer versuchte ich darum, Stimmung zu machen. Ich erzählte von unserem Obersten, der wie

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